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Politik: Blair siegt – aber seine Zukunft ist offen

In der Partei wird schon über den Rücktritt des Premiers gesprochen / Labour verliert rund 100 Sitze

Der britische Premier Tony Blair ist als angeschlagener Sieger aus der Unterhauswahl hervorgegangen. Am Freitag erteilte ihm Königin Elizabeth II. zum dritten Mal in Folge den Auftrag zur Regierungsbildung. Damit ist Blair der erfolgreichste Labour-Chef der über hundertjährigen Parteigeschichte. Jedoch ist die bisherige Labour-Mehrheit im Parlament von 167 auf 66 Sitze zusammengeschmolzen.

Da der Dämpfer auch auf Blairs Unterstützung des Irakkrieges zurückgeführt wird, verstärkten sich auch in den eigenen Reihen Spekulationen um die politische Zukunft des Premiers. Ex-Außenminister Robin Cook, der zu den prominentesten Kritikern der Irakpolitik zählte, warnte in der BBC, Blair müsse sich „genau überlegen, wie lange er die Partei und die Nation über den Zeitpunkt seines Gehens im Dunkeln lassen“ könne.

Er habe „zugehört und gelernt“, sagte Blair selbst in seinem Regierungssitz in der Downing Street. Auch wisse er genau, was die Briten von seiner Regierung erwarteten. Als Prioritäten nannte er Themen, die von den Konservativen im Wahlkampf hochgespielt worden waren – dazu zählt unter anderem eine verstärkte Kontrolle bei der Einwanderung. Die geschrumpfte Mehrheit im Parlament zwingt Blair nun zur verstärkten Zusammenarbeit mit einer nach links gerückten Labour-Fraktion. Beobachter sind sich darin einig, dass dies den Einfluss von Blairs praktisch bereits designiertem Nachfolger, Finanzminister Gordon Brown, entscheidend stärkt. Noch am Freitagabend bildete Blair sein Kabinett um. Keine Veränderungen gab es auf dem Posten des Schatzkanzlers, den weiter Gordon Brown inne hat.

Der Parteiführer der Konservativen, Michael Howard, kündigte überraschend an, er werde abtreten, sobald die Parteiverfassung und der Modus zur Wahl des Parteichefs reformiert seien. Offen ist, ob Howard dadurch neue Flügelkämpfe in der Partei auslöst. Die konservativen Parteichefs John Major und William Hague waren nach den Wahlniederlagen von 1997 und 2001 auch zurückgetreten. Dies hatte zu heftigen Führungskämpfen geführt.

Nach Auszählung von 644 der 646 Wahlkreise erreichte die Labour Party einen Stimmenanteil von rund 35,5 Prozent und damit das niedrigste Ergebnis einer siegreichen Partei in der britischen Wahlgeschichte. Gegenüber der Unterhauswahl von 2001 verlor Labour fast sechs Prozent. Dagegen erhöhten die Konservativen und die Liberaldemokraten den Anteil ihrer Sitze im Vergleich zur Wahl von 2001.

In Nordirland entschieden die Hardliner auf seiten der Protestanten und Katholiken die Unterhauswahl für sich. Der gemäßigte protestantische Politiker und Friedensnobelpreisträger David Trimble verlor seinen Wahlkreis gegen einen Kandidaten der radikaleren Demokratischen Unionisten des Pfarrers Ian Paisley.

Matthias Thibaut

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