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Seit der Amtseinführung von Boris Pistorius sind noch keine 100 Tage vergangen. Schon baut er das Verteidigungsministerium kräftig um.

© Imago/Christian Spicker

Boris Pistorius verärgert seine Zivilisten: „Das ist eine Militarisierung des Ministeriums“

Boris Pistorius hat seine Umbaupläne für das Verteidigungsministerium vorgestellt. Dass ein General dabei die zentrale Rolle spielt, stößt auf Kritik.

Die einzige inhaltliche Überraschung, die Boris Pistorius den insgesamt 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei einer internen Versammlung am Donnerstag noch bieten konnte, hatte gar nichts mit seinen Umbauplänen für das Verteidigungsministerium zu tun. So kündigte er an, dass die Nachbestellung für die an die Ukraine abgegebenen Leopard-2-Panzer Mitte Mai erfolgen soll und damit deutlich schneller als ursprünglich geplant.

Über die Strukturreform, die der Beschleunigung interner Prozesse dienen soll, waren im Vorfeld bereits die meisten Details bekannt geworden – teilweise schon durch Äußerungen sowie ein Schreiben von Pistorius selbst.

Zentrale Neuerung ist die Einführung eines Planungs- und Führungsstabes mit dem Brigadegeneral Christian Freuding an der Spitze. Weil er bisher schon den Krisenstab Ukraine leitet, hat Pistorius gleich von seinem ersten Amtstag an eng mit ihm zusammengearbeitet. Nun bekommt er die zentrale Rolle zugewiesen.

Die neue Aufgabenverteilung löst harsche Kritik aus

Er steht nun einer Runde vor, die sich längst nicht nur um die Großbaustellen wie das dysfunktionale Beschaffungswesen kümmern wird, wie es vorab einmal zu hören war. Sie wird vielmehr die gesamte Themenpalette bearbeiten und entscheiden, welche Vorlagen aus dem Haus überhaupt die Spitze beschäftigen. „Vorgänge, die in den Abteilungen entschieden werden können, sollen die Leitungsebene erst gar nicht mehr erreichen“, heißt es in einer am Donnerstagabend versandten Pressemitteilung.

Der neue Stab filtert künftig inhaltlich alle Vorlagen aus dem Haus, die an den Minister, die Staatssekretäre oder den Generalinspekteur der Bundeswehr gehen.

Imke von Bornstaedt-Küpper, Vorsitzende des Verbandes der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr (VBB)

Während Pistorius damit die unteren Ebenen selbstständig entscheiden lassen will, der Ukraine Militärschlafsäcke zu liefern, löst die neue Aufgabenverteilung auch harsche Kritik aus.

Der neue Stab „filtert künftig inhaltlich alle Vorlagen aus dem Haus, die an den Minister, die Staatssekretäre oder den Generalinspekteur der Bundeswehr gehen“, sagt Imke von Bornstaedt-Küpper, die Vorsitzende des Verbandes der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr (VBB). Gerade in Bezug auf die beamteten Staatssekretäre, die laut der Geschäftsordnung für alle Bundesministerien die Verwaltung führen sollen, sieht die Verbandschefin ihre Befürchtung einer „Entmachtung“ bestätigt. 

Das können Pistorius’ Leute nicht nachvollziehen. Der Stab wird als „der gemeinsame Arbeitsmuskel aller Leitungsbüros“ verstanden. Es soll der Vergangenheit angehören, dass Minister, Staatssekretäre und Generalinspekteur etwa alle über eigene Haushaltsreferenten verfügen oder getrennte inhaltliche Vorbereitungen für die Münchner Sicherheitskonferenz erhalten.

Die Hausspitze soll künftig „aus einem Guss“ agieren, heißt es in der Mitteilung weiter: „Außerdem stellt der Stab sicher, dass die Entscheidungen der Leitungsebene ins Haus zurückgetragen und dort zügig umgesetzt werden.“

Keine bloße Kopie des früheren Planungsstabes

Einig sind sich der Minister und seine Kritikerin immerhin darin, dass der neue Stab keine bloße Kopie des früheren Planungsstabes ist, der vom früheren CDU-Minister Thomas de Maizière abgeschafft wurde. Sonst aber gehen die Meinungen dazu weit auseinander.

Mit der Reform riskiert Pistorius den Zusammenhalt der Belegschaft.

 Imke von Bornstaedt-Küpper

Die Verbandschefin kritisiert vor allem, dass ein General mit derart vielen Kompetenzen ausgestattet wird, das Vertrauen in die Militärs „offenbar grenzenlos“ sei, während ihre entsprechenden Hinweise im Vorfeld „ignoriert“ worden seien: „Das ist eine Militarisierung des Verteidigungsministeriums.“

Mit der Reform riskiere Pistorius den Zusammenhalt der Belegschaft, sagte von Bornstaedt-Küpper dem Tagesspiegel. Schon jetzt seien die Reaktionen der zivil Beschäftigten und der Bundeswehrangehörigen „sehr unterschiedlich“ ausgefallen.

Das Personal für die rund 40 Dienstposten des neuen Stabes, der bis Ende Mai die Arbeit aufnehmen soll, wird aus den Büros der Staatssekretäre, des Generalinspekteurs sowie des Ministers selbst zusammengezogen. Das nehmen die Verantwortlichen als Beweis, dass der Stab gemischt besetzt wird.

Er soll zudem eine Doppelspitze erhalten – Stellvertreter Freudings wird ein ziviler Beamter werden, in Zukunft soll es auch einmal andersherum sein können.

Wie gelingt die Verschlankung?

Gar nicht soll Pistorius Teilnehmern der Mitarbeiterversammlung zufolge auf die Frage eingegangen sein, wie eine zusätzliche Ebene den ganzen Apparat modernisieren und verschlanken soll. Zwar wird der bisherige Stab Organisation, der bisher eng mit der Leitungsebene verknüpft war, zu einer normalen Unterabteilung der Rechtsabteilung.

Und auch der Stab „Strategische Steuerung Rüstung“ wird in die Abteilung Ausrüstung überführt – die Zahl der Schnittstellen sinkt aber damit ebenso wenig automatisch wie die Personalstärke.

Am Donnerstagvormittag hatte Pistorius bereits im Bundestag gesagt, dass es ihm natürlich nicht um zusätzliche Bürokratie, sondern um das genaue Gegenteil gehe: „Ich will die Zeitenwende schneller und kraftvoller umsetzen und auch sichtbar in der Struktur unseres Hauses machen.“

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