zum Hauptinhalt

Politik: Britische Regierung gibt Druck aus Belfast nach

London zu Verlängerung der Frist für Nordirland bereit – Protestanten lehnen Ultimatum bis Montag ab

Die größte Partei Nordirlands ist bereit, die Regierungsverantwortung mit dem politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee zu teilen – aber erst in sechs Wochen. Die Delegierten von Pfarrer Ian Paisleys Unionistenpartei haben sich am Samstagabend erstmals verpflichtet, mit ihren Erzfeinden in der Sinn-Féin-Partei zusammenzuarbeiten, doch das Ultimatum der britischen Regierung wird nicht eingehalten werden.

London und Dublin drohen seit Monaten, das eben erst gewählte nordirische Parlament wieder aufzulösen, sofern die einheimischen Parteien am Montag keine Regierung bilden.

Nordirlandminister Peter Hain verkündete am Sonntag, er werde weiter pokern: Das Parlament soll am Montagmittag zusammentreten, um Minister zu nominieren. Aber er signalisierte schon die Bereitschaft zu einem taktischen Rückzug: Sofern sich die nordirischen Parteien am Montag auf einen anderen, verbindlichen Plan zur Regierungsbildung einigten, sei er natürlich bereit, sich zu fügen. Paisley und Sinn Féin werden damit gezwungen, sich untereinander zu einigen. Ein erstmaliges Treffen Paisleys mit Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams im geschäftsführenden Ausschuss des Belfaster Parlaments wird für Montag erwartet, der Termin für die Regierungsbildung wird sich in den Mai verschieben.

Die britische Regierung wird zu diesem Zweck vermutlich Kröten schlucken müssen und Notstandsgesetze im Eiltempo durchs Unterhaus peitschen. Es wäre nicht das erste Mal im Verlaufe der letzten zehn Jahre, dass ein Ultimatum unerfüllt verstreicht. Aber Hain war deutlich: „Wir können uns nicht weiter im Kreis drehen.“ Obwohl die IRA abgerüstet hat und Sinn Féin das britische Gewaltmonopol in Nordirland anerkannt hat, sträuben sich zahlreiche prominente Mitglieder von Paisleys Partei noch immer gegen eine Koalition mit den einstigen Bombenlegern. Der Wunsch nach einem Aufschub befriedigte die zerstrittene und verunsicherte Partei, die trotzige Herausforderung der britischen Regierung einigte die Delegierten. Paisley verkündete nach dem Treffen, die Nordiren seien zwar bereit, sich überzeugen zu lassen, aber man könne sie nicht nötigen. Die nordirischen Wahlresultate vom 7. März sind einhellig als Mandat für eine Koalition interpretiert worden.

Die Elefantenhochzeit zwischen Paisley und Adams wäre die Vollendung des Friedensabkommens vom Karfreitag 1998. Der Preis des Scheiterns wäre empfindlich hoch: Nordirlandminister Hain droht mit neuartigen Abgaben für den privaten Wasserverbrauch; zusätzliche Investitionsgelder in der Höhe von etwa einer Milliarde Pfund aus Dublin und London für die nordirische Infrastruktur würden ebenfalls gestrichen, falls Nordirland um Mitternacht am Montag unter britische Direktverwaltung zurückkehrt. So weit wird es indessen kaum kommen. In einem Interview mit dem irischen Radiosender RTE umriss der irische Premierminister Bertie Ahern am Sonntag eine ähnliche Haltung wie Peter Hain: Die nordirischen Parteien müssen jetzt eine einvernehmliche Alternative vorlegen, andernfalls werden die irische und die britische Regierung ihre Zusammenarbeit bei der Verwaltung Nordirlands vertiefen, und die kühnen Pläne vom Karfreitag 1998 wandern ins Archiv.

Martin Alioth[Dublin]

Zur Startseite