Politik: Chavez macht Ernst
Venezuelas Präsident verstaatlicht die Ölindustrie
Berlin - Schneller und entschlossener als von vielen erwartet stellt Hugo Chavez die Weichen für seinen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“. Nach seiner klaren Wiederwahl im Dezember vergangenen Jahres kündigte Venezuelas Präsident an, neben der Stromversorgung auch den größten Telekommunikationskonzern des südamerikanischen Landes zu verstaatlichen. Das ist zum Teil bereits passiert. Ende Januar ließ sich der Linksnationalist vom Parlament dafür mittels eines „Ermächtigungsgesetzes“ mit weitreichenden Vollmachten ausstatten, die ihm freie Hand beim Umbau des Landes geben – und ihm erlauben, in den kommenden 18 Monaten in weiten Bereichen per Dekret zu regieren, die „Rang, Wert und Kraft von Gesetzen haben“.
Chavez ist gewillt, die neue Machtfülle zu nutzen. Ohne vorherige Konsultierung der Abgeordneten, an der Volksvertretung vorbei agiert der Staatschef nunmehr – mindestens vorübergehend – als höchste Gesetzgebungskraft Venezuelas. Was ihm von der Opposition den Vorwurf einbringt, auf demokratischem Wege die Demokratie abzuschaffen. Jüngster Coup des als „gewählten Diktator“ Kritisierten ist die Verstaatlichung der Ölindustrie im fünftgrößten Rohölproduzentenland der Welt. Das betrifft die Fördergebiete im 600 Kilometer langen und 70 Kilometer breiten Orinoco-Streifen, wo extraschweres Öl gefördert wird – und die größten Reserven der Welt vermutet werden: Die Regierung in Caracas spricht von 1370 Milliarden Barrel. Derzeit hat Venezuela bestätigte Reserven von gut 80 Milliarden Barrel. Nach dem neuen Dekret müssen im Orinoco-Streifen tätige, ausländische Firmen eine Umwandlung in Joint-Venture-Unternehmen akzeptieren, bei denen der Staat die Kapitalmehrheit hält. Betroffen sind unter anderem die US-Gesellschaften Exxon Mobil, Chevron und Conoco-Phillips sowie die französische Total, British Petroleum und Statoil aus Norwegen. Rund 20 ausländische Ölfirmen hatten im vergangenen Jahr bereits die Umwandlung ihrer Aktivitäten in Joint- Venture-Firmen akzeptiert.
Chavez wird diesen Schritten weitere folgen lassen: Die Rede ist vom Ende der Unabhängigkeit der Zentralbank und mehr Kontrollen über Preise, Zinsraten, Außenhandel.