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Der wegen Verbrechen in der berüchtigten früheren Deutschen-Siedlung Colonia Dignidad in Chile gesuchte Arzt Hartmut Hopp.

© dpa

Chile: Neuer Auslieferungsantrag für flüchtigen Sektenarzt

Chiles Oberstes Gericht stimmt einem Antrag auf Auslieferung von Hartmut Hopp zu. Die deutschen Behörden aber wollen den Fall des Arztes der Sekte Colonia Dignidad neu aufrollen.

In Chile ist der Deutsche Hartmut Hopp bereits rechtskräftig verurteilt. Fünf Jahre Haft wegen Kindesmissbrauchs lautete das Urteil für den ehemaligen Krankenhaus-Leiter der Sekte Colonia Dignidad. Doch Hopp hat sich nach Krefeld abgesetzt. Zwar wollen ihn auch die deutschen Behörden hinter Gittern sehen, aber diplomatische Querelen schützen ihn bisher vor weiterer Strafverfolgung. Nun will Chile erneut die Auslieferung beantragen – und wird wohl scheitern. Hopp galt als rechte Hand des Ex-Sektenchefs Paul Schäfer, der zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt wurde und 2010 im Alter von 88 Jahren im Gefängnis starb.

Kinder mit Medikamenten gefügig gemacht

Nach Aussagen von Zeugen wurden während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973-90) politische Gefangene auf das weiträumige Gelände der Deutschen-Kolonie im Süden des Landes verschleppt und dort zu Tode gefoltert. Hopp soll als Arzt Kinder mit Medikamenten gefügig gemacht und missbraucht haben. Auf dem über 13000 Hektar großen Gelände der „Colonia Dignidad“, die sich später „Villa Bavaria“ nannte, lebten zeitweise hunderte deutsche Auswanderer und ihre Familienangehörigen. Der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland geflohene frühere Wehrmachtsgefreite Schäfer hatte die Kolonie Anfang der 1960er Jahre in einer Bergregion in Südchile mit 300 Getreuen gegründet.

Chile hatte bereits im Oktober 2011 Hopps Auslieferung verlangt, Deutschland lehnte dies jedoch ab. Artikel 16 des Grundgesetzes verbietet die Auslieferung Deutscher Staatsbürger. Nur per Gesetz dürfen Ausnahmeregelungen getroffen werden, die eine Auslieferung an einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einen internationalen Gerichtshof ermöglichen. Anfang Juli hatte die Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs in Santiago de Chile mitgeteilt, da zwischen beiden Ländern kein Auslieferungsabkommen bestehe, werde die Auslieferung auf Grundlage des internationalen Rechts beantragt. Der Antrag wurde nun gerichtlich gebilligt. Im Falle eines erneuten Scheiterns solle beantragt werden, dass Deutschland die gegen Hopp verhängte Strafe vollstrecke.

Hopp darf Deutschland jederzeit verlassen

Die deutsche Justiz jedoch favorisiert eine andere Lösung, wie der Krefelder Oberstaatsanwalt Axel Stahl dem Tagesspiegel sagte. Demnach soll Hopp in Deutschland erneut der Prozess gemacht werden. „Wir haben ein Amtshilfeersuchen nach Chile geschickt, aber bisher keine Antwort bekommen.“, sagte Stahl. Ohne die Zeugenaussagen und Unterlagen bestehe kein ausreichender Verdacht für Zwangsmaßnahmen. Hopp dürfe sich daher frei bewegen und Deutschland auch verlassen. „Faktisch sitzt er aber hier fest. Da er mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, könnte ihn jedes andere Land an Chile ausliefern.“, sagte Stahl.

Wegen langwieriger diplomatischer Verfahren könnte Hopp noch lange unbehelligt bleiben. Deutsche und chilenische Behörden kommunizieren nicht direkt, sondern über ihre Botschaften. Wie das Auswärtige Amt dem Tagesspiegel bestätigte, hat Chile ohnehin noch keinen Antrag gestellt, das Urteil hier zu vollstrecken. Ein Richter müsste dann in einem sogenannten Exequaturverfahren (lateinisch „man möge vollstrecken“) prüfen, ob rechtsstaatliche Mindeststandards beim Prozess eingehalten wurden, und das Urteil für den deutschen Vollzug „umschreiben“. (mit AFP)

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