Politik: Da rauchen die Köpfe
Von Moritz Döbler
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Die Konvertiten sind die Schlimmsten, heißt es unter Rauchern. Deswegen sei gleich gesagt: Der Autor dieser Zeilen hat 24 Jahre lang geraucht und tut es seit neun Monaten nicht mehr. Aber eigentlich ist das irrelevant. Denn es geht nicht um persönliches Erleben. Sondern um Vernunft und Freiheit. Wenig ist so unvernünftig wie das Rauchen. Es kostet Zeit, Geld und die Gesundheit. Werbung und schlechte Vorbilder führen dazu, dass es anders gesehen wird – als Ausdruck eines Lebensstils. Die Camel-Cowboys und Marlboro-Männer sind überkommene Symbole, aber die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer gibt es in der letzten Kaschemme.
Der Genuss ist ein gelernter Genuss. Die erste Zigarette hat noch niemandem geschmeckt. Aber bald gehört man dazu, und es finden sich Rituale, die das Leben strukturieren. Die erste Zigarette am Morgen. Eine nach dem Essen oder zum Bier. Die sprichwörtliche Zigarette danach. Schon sind die kleinen Röllchen aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Das Aufhören ist schwer, auch wenn die Entzugserscheinungen eher gering sind.
Wer sich der Tabakmühle unterordnet, der tut es sehenden Auges. Dass Rauchen schädlich ist, weiß jeder. Aber – und jetzt kommen wir von der Vernunft zur Freiheit – es ist seine Sache. Selbst wenn die Gesellschaft letztlich für die gesundheitlichen Folgen aufkommt und all die Lungenkrebskranken und Herzinfarktpatienten mit den besten medizinischen Mitteln pflegt, bleibt das Rauchen eine individuelle Entscheidung.
Wo wollte man denn auch die Grenze ziehen? Es gibt so viele gefährliche Sachen, für die notfalls die Allgemeinheit aufkommt. Ob Extremsport, täglich zehn Korn oder ungeschützter Sex, ob mit 250 Sachen über die Autobahn ballern oder durch den Dschungel von Borneo wandern – wenn es schiefgeht, zahlt die Krankenkasse. Auf diese Freiheit gründet unsere Gesellschaft. Es ist auch diese Freiheit, die unseren Wohlstand ausmacht.
Nur wenige Dinge sind nicht erlaubt. Man könnte nun fragen, ob Heroin ohne Beschaffungskriminalität, Prostitution und schmutzige Nadeln weniger oder mehr Schaden anrichtet als tägliches Saufen. So oder so ist Rauchen etwas anderes. Wer in Gesellschaft raucht, schadet anderen Menschen. Das ist allgemein anerkannt, deswegen darf man an den meisten Arbeitsplätzen nicht mehr rauchen.
Nun wäre es am schönsten, wenn sich alles durch gegenseitige Toleranz von selbst regelte: Die einen rauchen weniger, die anderen nehmen ein bisschen Teer in ihren Lungen und den Gestank in den Klamotten in Kauf. Doch selbst wenn das gerecht wäre, es funktioniert nicht. Der selbstbewusste Kettenraucher am Nachbartisch des Lieblingsrestaurants, der IHK-Präsident, der bei seinen Veranstaltungen ungebremst quarzt, die Kollegen beim Kneipenabend zeigen, dass man nicht ausweichen kann.
Dabei wäre ein kategorisches Rauchverbot in Gaststätten und öffentlichen Räumen unserem Erkenntnisstand angemessen. Nebenbei würde es zu der Ächtung führen, die das Problem im Laufe der Jahre verkleinert. Es kann nicht unser Ernst sein, dass wir die Feinstaubbelastung in unseren Straßen geißeln, aber das Rauchen als Ausdruck der Freiheit sehen. Gestern war der Tag, an dem sich diese Erkenntnis weitgehend durchgesetzt hat. In einem typisch föderalen Kompromiss bleiben zwar einige Ausnahmen. Aber er ist ein großer Schritt in die richtige Richtung – den Rest wird die Europäische Union wohl in ein paar Jahren durchsetzen. Weil es vernünftig ist.
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