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Fatoumata Ba weiß, wie groß die Chancen sind, die Unternehmer für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents bieten können.

© Tobias Koch

Global Solutions Konferenz: Das Amazon von Afrika

Fatoumata Ba gründete das Amazon von Afrika. Eine erste Klientin fragte: „Was ist das Internet?“ Heute gibt ihr Beispiel dem Kontinent Selbstbewusstsein.

Von Anna Sauerbrey

Mme Diaby ließ Fatoumata Ba auf dem Boden Platz nehmen – so will es die Tradition in Côte d’Ivoire, an der Elfenbeinküste. Da saß sie nun, zu Füßen einer religiös gekleideten, 70-jährigen Matriarchin und trug ihr Angebot vor: Komm zu Jumia, komm auf unsere Internetplattform. Diese Geschichte erzählt Fatoumata Ba am Montagnachmittag in der Lobby eines Berliner Hotels.

Es ist 2014, die Elfenbeinküste ist eines der ersten Länder, in denen Fatoumata Ba ihre Handelsplattform launcht. Sie will die Klein- und Kleinsthändler des Kontinents dazu bringen, ihre Ware online anzubieten. Die 70-jährige Mme Diaby vertreibt Handys, in Côte d’Ivoire wie in vielen afrikanischen Ländern ein sehr lukratives Geschäft. Denn mangels anderer Infrastruktur funktioniert hier fast alles über Prepaid-Handys – bezahlen, telefonieren, surfen. Aber auch ein sehr lokales Geschäft. Fatoumata hält Mme Diaby ihren kleinen Vortrag, über die neuen Geschäftsmöglichkeiten im Netz, wie man online seinen Kundschaft erweitern, mehr Umsatz machen kann. Als sie fertig ist, fragt Mme Diaby: „Was ist das Internet?“

Bis 2050 wird sich die Bevölkerung verdoppeln

Die Anekdote ist ein Beispiel dafür, welche besonderen Hürden man nehmen muss, wenn man in Afrika gründet – aber auch, wie groß die Chancen sind, die Unternehmer für die Entwicklung des Kontinents bieten können, erklärt Fatoumata Ba. Am Abend wird sie auf der Global Solutions Konferenz sprechen. Bis 2050, weiß die 32 Jahre alte Ba, soll sich die afrikanische Bevölkerung verdoppeln. Wenn all diese Menschen eine Arbeit finden sollen, muss die afrikanische Wirtschaft sehr viel schneller wachsen als im Moment.

Der Senegal zum Beispiel, Fatoumata Bas Heimat, hat zwar eine gute Wachstumsrate von sechs bis sieben Prozent. Angesichts des starken Bevölkerungswachstums aber ist das nicht genug. Bislang sind die zahllosen kleinen und mittleren Unternehmen das Rückgrat der afrikanischen Wirtschaft, sie bieten 90 Prozent der Jobs. Mit Mitte zwanzig entschloss sich Fatoumata Ba deshalb, etwas zu gründen, dass es den kleinen Händlern ermöglicht, schneller erfolgreich zu sein.

Nur wenige Monate zuvor hat sie noch in Paris gelebt. Dort arbeitete sie für eine Unternehmensberatung. Sie verdiente sehr gut und schickte viel Geld nach Hause in ihre Heimat, den Senegal, um Cousins und Cousinen, Nichten und Neffen die Schule zu finanzieren. Von ihrer Wohnung aus konnte sie den Eiffelturm sehen. „Aber ich habe mich leer gefühlt“, sagt sie. Also beschloss sie, ihr eigenes Unternehmen aufzubauen: Jumia, eine Art Amazon in Afrika, für Afrika. Bis heute hat sich der amerikanische Retailer nicht weiter als bis nach Ägypten vorgewagt, über das Tochterunternehmen Souq.

Schon geringe technische Hürden sind hoch

Und bis heute ist sich Fatoumata Ba nicht sicher, ob Mme Diaby sie vielleicht nur erschrecken wollte, als sie behauptete, vom Internet nie gehört zu haben. Dennoch stimmt es: Für viele der Kleinstunternehmer sind auch geringe technische Hürden zu hoch. Um Anbieter wie Mme Diaby auf die Plattform zu bekommen, hat Jumia Video-Anleitungen gedreht und in Côte d’Ivoire Onlinehandel-Studenten rekrutiert, die den Launch kleiner Unternehmen auf der Plattform begleiteten. Bei Mme Diaby übernahm ihre eigene Nichte mit Hilfe von Jumia diese Rolle. Wenig später habe das Unternehmen zu den Top-drei-Verkäufern auf der Plattform gehört, sagt Fatoumata Ba.

Weil das Vertrauen in elektronische Geschäfte in Afrika gering ist, konnte man bei Jumia außerdem von Anfang an erst dann bezahlen, wenn man das Paket wirklich in den Händen hält – mit dem Mobiltelefon natürlich, über M-Pesa, einen Bezahldienst, der in Afrika weit verbreitet ist. Auch die Logistik musste Jumia komplett selbst aufbauen – große Postanbieter gab es 2013 an der Elfenbeinküste nicht. Auch hier sprangen Kleinstunternehmer ein, die über Jumia vernetzt wurden. Heute kann man auch im ländlichen Norden des Landes über Jumia einen Gaskocher oder Reis nach Hause bestellen – in Dörfer, in denen es keine Läden gibt.

Wagniskapital mit sozialem Anspruch

Fatoumata Ba lehnt sich kurz in ihren Stuhl in der Hotellobby. Ein bisschen müde sei sie schon, sagt sie – auch, wenn man das nicht merkt. Sie ist gerade erst mit dem Flieger aus Abidjan angekommen, dem Regierungssitz von Côte d’Ivoire. Nach dem Global Solutions Summit geht es weiter nach Paris und von dort weiter nach Boston. So sieht ihr Leben aus: Sie ist ständig unterwegs. Jumia operiert mittlerweile in 14 afrikanischen Ländern und hat zwei Millionen Kunden. Ein Teil des Unternehmens soll demnächst in New York an die Börse gehen. Bis zum vergangenen Jahr war Fatoumata Ba CEO des Unternehmens, dann stieg sie aus, um wieder etwas neues gründen: Janngo, eine Wagniskapital-Firma mit sozialem Anspruch, die afrikanische Start-ups finanziert. Das heißt: Noch mehr reisen.

Ihr Vater sage manchmal scherzhaft, erzählt Fatoumata Ba, die „sédentarité“, die Sesshaftigkeit, müsse sie erst noch lernen. Ihre Familie gehört zum Stamm der Fulani, eine der größten ethnischen Gruppen in Westafrika, die teilweise Nomaden waren. Fatoumata Ba selbst ist mit drei Brüdern in einem Vorort von Dakar aufgewachsen. Ihr Vater ist Ingenieur.

Selbstverständlich war und ist der Besuch einer höheren Schule für sie und viele andere in ihrer großen Familie dennoch nicht. Aber Fatoumata war eine begeisterte Schülerin – und die Eltern kratzten das Geld für den Besuch einer guten, französischen Missionsschule zusammen. Alles weitere, den Besuch eines Lycée in Togo, das Studium an der Business School in Toulouse, finanzierte sie mit Stipendien selbst.

Ihre Wurzeln versteckt sie nicht mehr

Heute spricht sie beim DLD in München, gehört zu den Young Leadern in Davos, wird von europäischen Ministern eingeladen und von der deutschen Kanzlerin – und hat trotzdem noch ein Zimmer im Haus ihres Vaters. Im Februar war sie kurz zu Hause, um seinen Geburtstag zu feiern.

Während sie von ihrer Familie erzählt, spielt sie mit einem großen goldenen Ring, eine Scheibe, über die eine Achse verläuft, darauf sind Fische abgebildet. Vor ein paar Jahren war sie zu einer Veranstaltung gereist, um mit jungen Frauen zu sprechen. „Ich war ein wenig überrascht, aber die wichtigste Frage war für viele: Kann ich Karriere machen – und trotzdem meine Haare so tragen?“, erzählt sie. So, das ist bei Fatoumata Ba zu Rastazöpfen geflochten, die sie im Nacken zu einem großen Dutt zusammengedreht hat. Manchmal trägt sie die Haare auch als Afro.

In Paris, in ihrer Zeit als Beraterin, sagt sie, habe sie selber versucht, sich möglichst wenig weiblich und möglichst wenig „afrikanisch“ zu kleiden. Sie trug schlichte Rollkragenpullover. Und trotzdem fiel sie auf, als schwarze Frau in der Berater- und Tech-Welt. Heute ist sie so bekannt und erfolgreich, dass es keinen Unterschied mehr macht, was sie trägt oder wie ihr Schmuck aussieht. Das sei ihr nach dem Treffen mit den jungen Frauen klar geworden. Und da habe sie Lust gehabt, sich diesen riesigen goldenen Ring zu kaufen, bei einem fliegenden Händler, der gerade vorbeikam. Er ist ein Zeichen, dass sie geschafft hat.

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