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Politik: Das andere Fünftel

Jeden Tag berichten wir über den Krieg.Doch nicht jeden Tag wissen wir, ob das, was wir berichten, auch der Wahrheit entspricht.

Jeden Tag berichten wir über den Krieg.Doch nicht jeden Tag wissen wir, ob das, was wir berichten, auch der Wahrheit entspricht.In Belgrad herrscht Zensur, und von der NATO fühlt sich selbst der deutsche Verteidigungsminister nicht immer ausreichend informiert.In der Redaktion des Tagesspiegels gibt es fast täglich heftige Diskussionen darüber, welcher Text und welches Bild noch zu verantworten ist.Diese Rubrik gibt Einblicke in Widersprüche und Zweifel von Journalisten in den Zeiten des Krieges.

Die Zahl geht mir nicht mehr aus dem Kopf."Etwa 80 Prozent der Bilder und Berichte" aus dem Jugoslawien-Krieg "stimmen", sagte Gerd Ruge am Dienstag im Tagesspiegel-Interview auf die Frage, ob die deutschen Medien Kriegspropaganda transportierten.Demnach müßte ein Fünftel "nicht stimmen".Wir Redakteure wählen aus, kürzen, fügen zusammen, lassen weg.Dabei lassen wir die allgemeine Skepsis, die Gerd Ruge angesichts der Kriegssituation fordert, walten.Das erste Ziel ist, erkennbaren Propagandameldungen nicht auf den Leim zu gehen und Quellen präzis zu benennen.Wir verlassen uns auf professionell arbeitende Mitarbeiter, Korrespondenten und Agenturen, auf die eigene Erfahrung, auf Expertise von außen - und können uns irren.

Es dürfte wohl kaum jemand geben, der schon heute feststellen kann, zu welchem Prozentsatz das gelingt.Fehlerhaftes zu beziffern, ist gefährlich.Die Aussage nährt einen vagen Verdacht, daß "überall manipuliert wird".Davon profitiert eine Seite: jene, die alle unabhängigen Medien ausgeschaltet hat, Korrespondenten ausweist und seit einem Jahrzehnt gegen alles "Fremde" hetzt.Und nicht die Seite, deren Regierungen demokratischer Kontrolle unterliegen.Und deren Presse sich Kritik stellen muß.Von Kollegen, von Verfassungsorganen, und vom Leser.

PAUL STOOP

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