Käßmann-Buch: Der Geschmack der Freiheit
Ex-Bischöfin Margot Käßmann hat drei Monate in den USA gelebt. Nicht alles hat ihr gefallen. Ihre Begegnungen und Beobachtungen hat sie jetzt als Buch herausgegeben.
Berlin - Sie ist fröhlich und voller Tatendrang. Gleich zwei neue Publikationen kommen dieser Tage von ihr auf die Büchertische. „Es geht mir richtig gut“, sagt Margot Käßmann heute, ein Jahr nach ihrer Alkoholfahrt, die zu ihrem Rücktritt vom Bischofsamt und vom Vorsitz des Rates der EKD geführt hat.
„Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand“, hatte Käßmann bei ihrem Rücktritt gesagt. Gottes Hand und die Dekanin der theologischen Fakultät der Emory University in Atlanta haben sie danach für dreieinhalb Monate in die USA geholt, wo sie forschte und vor allem: lebte. Sie habe es genossen, sagt sie, als „ältere Dame“ im Studentenwohnheim zu leben, viele junge Leute kennenzulernen und sich nach harten Monaten in Deutschland – nach ihren Äußerungen über den Afghanistan-Einsatz bis zu ihrem Rücktritt – unbeobachtet von Journalisten und Bischofskollegen frei bewegen zu können.
Welche Begegnungen sie in den USA hatte, welche Eindrücke sie sammelte über das politische Leben oder darüber, wie Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander umgehen, das hat Käßmann jeden Morgen ihrem Tagebuch anvertraut, manchmal auch einem Blog auf „evangelisch.de“. Zurück in Deutschland hat sie ihre Einträge gesichtet, vervollständigt und jetzt als Buch herausgegeben. Im Gespräch mit Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff hat sie das Buch am Dienstagabend in den Räumen des Tagesspiegels vorgestellt. Der Platz reichte kaum aus, so viele Gäste hatten sich angemeldet.
In dem Buch zeigt sich einmal mehr Margot Käßmanns Stärke, dass sie genau hinhört und hinschaut und den Menschen ihre Beobachtungen nahebringen kann. So wundert man sich mit Käßmann über amerikanische Fernsehprediger, die den Zuschauern einreden, wenn sie nur fest genug an Gott glauben, würden sie fit bleiben und hätten keine finanziellen Sorgen mehr. „Ich habe Mühe, das mit dem gekreuzigten Christus zusammenzudenken“, schreibt Käßmann. Man staunt mit ihr, wie selbstverständlich an der Universität das muslimische Fastenbrechen während des Ramadan gefeiert wird – und gleichzeitig Studenten nach acht Kategorien bestimmten Ethnien zugeordnet werden, inklusive dem „2–3 Mix“. In dem Buch geht es auch um das Verhältnis der Amerikaner zur Todesstrafe und Schusswaffen, um die Liebe zum Autofahren, Begegnungen mit Jimmy Carter oder afrikanischen Friedensaktivistinnen.
Im Dezember ist Käßmann zurückgekommen. Jetzt wohnt sie in Berlin, hält Vorlesungen an der Universität Bochum und ist dabei, eine neue Rolle für sich zu finden. Das ist nicht einfach, schließlich gab es das noch nie: eine Altbischöfin, die 53 Jahre jung und aktiv ist und die Menschen in Massen anzieht. Sie will den Kollegen nicht in die Quere kommen und doch Botschafterin für ihre Kirche sein.