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Fühlen Sie sich heimelig oder einsam? Gefühle sind Privatsache. Die Politik ist für Sachfragen zuständig.

© picture alliance / dpa

Heimatministerium: Der neue Trend zum Gefühlsministerium

Für Heimat, gegen Einsamkeit, das ist Unsinn. Ministerien können keinen Sinn stiften, Politiker können gesellschaftliche Identitätskrisen nicht heilen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

In Deutschland soll ein Heimatministerium entstehen, Großbritannien gönnt sich neuerdings ein Ministerium gegen die wachsende Einsamkeit von Menschen. Die politische Logik hinter den beiden neuen Institutionen ist dieselbe: Wenn die ärgerlichen Gefühle und die traurigen Stimmungen der Bürger erst mal an Ministerien abgetreten, an Abteilungsleiter ausgeliefert, und in Kostenstellen umgewandelt sind, werden sie auch heilbar.

Das kann nicht funktionieren. Heimat und Einsamkeit sind nur unterschiedliche Formulierungen derselben verlorenen Sache:  Es geht um den Verlust der Gemeinsamkeit, und um das politische Versprechen, sie wiederherzustellen. Heimat steht für die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die nicht zurückzuholen ist. Einsamkeit ist das Krankheitsbild der heutigen Gesellschaft.

Mehr Sozialleistungen, mehr Rente, mehr Geld den städtischen und den ländlichen Raum haben das Gemeinschaftsgefühl nicht wieder herstellen können. Im Gegenteil. Sie haben die Eifersucht auf vermeintlich besser gestellte Gruppen wachsen lassen. Die Regierungen in Berlin und London appellieren deshalb jetzt nicht mehr an den Verstand, sondern an die Gefühlslage ihrer Bürger.

Die neuen Ressorts geben der alten Sachpolitik nur neue Namen

Wie ein warmer Mantel wird der Begriff Heimat über die Minderwertigkeitsgefühle der Bewohner ländlicher Regionen geworfen. Wie ein Küchentisch einer Großfamilie soll ein Ministerium gegen die Singularisierung bei Großstädtern positive Assoziationen auslösen. Doch wer aus dem Innenressort eine Zuhausebehörde macht, oder aus der Administration für gesellschaftliche Fragen ein Amt gegen das Alleinsein, schafft weder Heimat noch Geborgenheit. Er gibt der Sachpolitik nur einen neuen Namen. Am Ende produzieren die Ministerien dieselben Genehmigungen für die Verkabelung des Landes, die gleichen Therapieformen gegen Depression, oder sie reichen die bekannten Fördermittel für besonders schöne Dörfer aus.

Ministerien können keinen Sinn stiften, Politiker können gesellschaftliche Identitätskrisen nicht heilen. Sie können nur die Voraussetzungen für eine bessere Gemeinschaft, mehr Gemeinsinn und zufriedenere Bürger schaffen. Darauf sollten sie sich konzentrieren. Die Aufgabe heißt: bessere und selbstbewusstere Sachpolitik. Dann kann man die Gefühlspolitik getrost den Populisten überlassen.

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