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Politik: "Der Schmerz kommt jetzt wieder"

Blass sitzt die Mutter der ermordeten kleinen Karolina im Gerichtssaal und starrt auf den Boden. Gut einen Meter neben ihr der mutmaßliche Peiniger des dreijährigen Mädchens, ihr früherer Lebensgefährte, reglos und gefasst.

Memmingen (15.03.2005, 21:40 Uhr) - Als der Staatsanwalt die schier unglaublichen Grausamkeiten gegen das dreijährige Mädchen aus der Anklageschrift vorliest, bricht die Mutter in Tränen aus, sie verbirgt ihr Gesicht in den Händen und schluchzt. Später im Prozessverlauf sagt sie zum Vorsitzenden Richter, der sie behutsam befragt: «Der Schmerz kommt jetzt wieder.»

Fünf Tage lang dauerte das Martyrium der kleinen Karolina. Sie wurde gequält, gefoltert und geschlagen. Dabei erlitt sie Brandwunden am ganzen Körper, Haare wurden ihr ausgerissen, Gesicht und Körper waren übersät mit blauen Flecken. «Er hat sie mit der flachen Hand ins Gesicht niedergeschlagen, dann musste Karolina aufstehen, dann hat er sie wieder niedergeschlagen - endlos», schildert die 26- jährige Mutter die Qualen ihrer Tochter. «Ich war dagegen und habe zu schreien angefangen, aber durfte nicht helfen.» Mutter und Tochter hatten Angst vor dem eifersüchtigen Angeklagten, der das Kind als «Bastard» weghaben wollte. In einem der vielen Gewaltexzesse habe er dem Mädchen gedroht, er werde es kreuzigen.

Die Mutter, des Mordes durch unterlassene Hilfe angeklagt, macht vor Gericht einen unsicheren, verwirrten Eindruck. Sie ist nicht in der Lage, die Geschehnisse im zeitlichen Ablauf zu schildern, widerspricht sich mehrmals und springt bei der Schilderung hin und her. Der Richter muss viel Zeit und Geduld aufwenden, um sie Punkt für Punkt durch die Anklage zu führen.

Mit leiser Stimme, immer wieder von Schluchzen unterbrochen, erzählt sie wahllos Einzelheiten, wie sie ihr gerade einfallen. «Ich weiß alles was war, ich kann es nicht mehr der Reihe nach erzählen.» Dann wiederum bestätigt sie, dass Karolinas Gesicht blau angelaufen war, dass sie durch die Schläge ihres früheren Freundes mit dem Kopf gegen Wand und Schrank knallte, dass der Körper des Mädchens von blauen Flecken und Striemen bedeckt war.

Ihr früherer Freund sitzt lange Zeit fast regungslos daneben. Ab und zu schüttelt er leicht den Kopf, sonst keine Reaktion. Nur einmal will er loslegen, wird aber von seinem Anwalt gezügelt. In einem Ausbruch von Verzweiflung hatte ihn Karolinas Mutter plötzlich angeschrien, er solle doch sagen, was er dem Mädchen angetan hat. Doch zu diesem Zeitpunkt hat der 31-Jährige lediglich über seinen Anwalt erklären lassen, er habe den Tod der Dreijährigen nicht gewollt und bedauere, was er angerichtet habe.

Erst am frühen Abend legt er ein Teilgeständnis ab und räumt ein, das Mädchen gequält und ihm Brandwunden zugefügt zu haben. Er sei vom Drogenersatzstoff Methadon abhängig gewesen und habe zusätzlich Alkohol und Tabletten genommen. Gleichzeitig beschuldigt er Karolinas Mutter, an Quälereien und Verbrennungen des Kindes beteiligt gewesen zu sein. Sie solle vor Gericht keine Show abziehen und die Wahrheit sagen.

(Von Nikolaus Dominik, dpa) ()

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