Politik: Der Stifter der Auszeichnung kritisiert die Politik - "Aus Bequemlichkeit werden Ideen nicht umgesetzt"
"Wir wollen keine Heiligen auszeichnen, sondern Menschen, die sich engagieren - die ein Beispiel geben für andere" sagt Jakob von Uexküll, der vor zwanzig Jahren den alternativen Nobelpreis stiftete. Uexküll will mit seiner Ehrung vor allem praxisnahe Projekte würdigen, die "einen nachweisbaren Nutzen für einen großen Teil der Bevölkerung haben".
"Wir wollen keine Heiligen auszeichnen, sondern Menschen, die sich engagieren - die ein Beispiel geben für andere" sagt Jakob von Uexküll, der vor zwanzig Jahren den alternativen Nobelpreis stiftete. Uexküll will mit seiner Ehrung vor allem praxisnahe Projekte würdigen, die "einen nachweisbaren Nutzen für einen großen Teil der Bevölkerung haben". Der "right livelihood award" - zu deutsch der Preis für verantwortungsvolle Lebensführung - sollte jedoch nicht als Anti-Preis missverstanden werden, erklärt Uexküll, sondern sei eine sinnvolle Ergänzung der Wissenschafts-Auszeichnung des Nobel-Kommitees.
"Es gibt Lösungen für weltweit anstehende Probleme", stellt Uexküll fest. Aus Mangel an politischem Mut, aus Bequemlichkeit und Ignoranz würden sie jedoch nicht umgesetzt. Viele Führungspersönlichkeiten sähen zwar die weltweiten Aufgaben, packten sie aber nicht an: "Sie machen Flickwerk - begrenzte kleine Schritte, die nicht greifen." Denn die Probleme hingen alle zusammen - der Raubbau an der Natur, Krieg und Unterdrückung, Armut in der Dritten Welt und die "geistige Verelendung in den Industriestaaten". Vom Westen aus habe sich ein radikales Profitstreben auf nahezu die ganze Welt ausgebreitet. Diese Haltung habe den Planeten an den Rand des Ruins geführt. Innerhalb von ein bis zwei Generationen seien Ressourcen verschwendet worden, für die die Erde Jahrmillionen gebraucht habe, um sie aufzubauen, mahnt Uexküll.
Die Erosion von Ackerland sei inzwischen fünf- bis sechsmal so schnell fortgeschritten als noch von den Autoren des Club of Rome in den siebziger Jahren angenommen. Das Artensterben beschleunige sich ständig. Regierungen sollten die knappen Ressourcen besteuern, nicht den Produktivfaktor Arbeit. Es gelte, alternative Energien und den öffentlichen Verkehr auszubauen. Darin liege ein großes Potenzial für Arbeitsplätze, sagt Uexküll. Stattdessen förderten Politiker alle Arten von Rationalisierung. Das wiederum sei im Interesse jener weltweit agierenden "52 multinationalen Großkonzerne", die Uexküll als "globale Planwirtschaften" bezeichnet. Denn deren Chefetagen orientieren sich nicht an gesellschaftlichen Bedürfnissen, sondern wirtschafteten verantwortungslos nur in die eigene Tasche und in die ihrer Aktionäre. Auch die immer wieder beschworene Globalisierung der Märkte unterstützt vor allem die Politik jener Großkonzerne, stellt Uexküll fest. Die Länder der Dritten Welt verarmten dagegen immer weiter. Ihre natürlichen Lebensräume und lokale Wirtschaftsgemeinschaften würden zerstört. Ein Beispiel: Großgrundbesitzer in Brasilien vertreiben Menschen vom Land, um in Monokulturen Tierfutter für den Westen anzubauen. Die entwurzelten Arbeiter und Pächter wandern in die Städte, die zu immer größeren Wasserköpfen anwachsen und verelenden dort. "Wir können uns dieses Weltwirtschaftssystem ökologisch und menschlich nicht mehr leisten", warnt Uexküll. Die größte unmittelbare Gefahr für Europa sieht er allerdings derzeit in einem Reaktorunfall. Zahlreiche veraltete Atomkraftwerke auf dem Boden des ehemaligen Warschauer Paktes hätten längst geschlossen werden müssen. Mit Rücksicht auf die westliche Atomwirtschaft hätten Politiker entschieden, sie in Betrieb zu lassen.
Ingrid Patzwahl