Politik: Der Untergang findet nicht statt
Von Harald Schumann
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Mehr Stürme, mehr Dürren, mehr Fluten – die schlechten Nachrichten aus der Klimaforschung werden zusehends bedrohlich, und eine verhängnisvolle Stimmung macht sich breit: Die Klimakatastrophe scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein. Alles Ringen um saubere Energiequellen und effiziente Technik komme ja doch zu spät, so etwa lautet der Tenor vieler Alltagsgespräche.
Doch diese klammheimliche Lust an der Apokalypse fußt auf einem fundamentalen Irrtum. Es geht gar nicht um den Weltuntergang. Stattdessen droht ein langsamer, quälender Prozess: Immer mehr Menschen werden ihrer Lebensgrundlage beraubt, und stetig wachsen die Flüchtlingsströme in Richtung der Wohlstandsinseln. Nicht der Untergang droht, sondern die weltweite Ausbreitung von Konflikten um Wasser, Nahrung und einen Platz zum Leben.
Diese Bedrohung lässt nur einen Schluss zu: Jede Anstrengung, die Aufladung der Atmosphäre mit Treibhausgasen zu bremsen, ist richtig, auch wenn sie kurzfristig wirtschaftliche Nachteile bringt. Die bahnbrechende Studie des britischen Ökonomen Nicholas Stern hat die Rechnung überzeugend aufgemacht. Wenn es gelingt, in den kommenden zwei Dekaden ein Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung in den ökologischen Umbau zu investieren, können in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Schäden verhindert werden, die leicht das Hundertfache dieser Kosten erreichen. Diese Feststellung trifft sich mit den Prognosen der Klimaforscher. Die Erwärmung lässt sich nicht mehr aufhalten, aber sie lässt sich begrenzen. Würde es gelingen, bis zum Jahr 2050 den Ausstoß von Treibhausgasen um die Hälfte zu reduzieren, könnte der Klimawandel beherrschbar bleiben.
Gewiss, diese Aufgabe ist groß, aber sie ist nicht zu groß. Die nötigen Technologien für Ökotopia stehen längst bereit. Häuser, die keine Heizung mehr benötigen, Elektromotoren, die nur noch einen Bruchteil des Stroms verbrauchen, Energiequellen auf Basis von Sonne, Wind, Erdwärme und Biomasse: Energieökonomen können jederzeit demonstrieren, dass ein klimaneutrales Energiesystem technisch und wirtschaftlich machbar ist.
Um diese Vision in die Praxis umzusetzen, müssen Investitionsströme im Wert von zig Milliarden Euro umgelenkt werden. Die EU-Regierungen haben am Freitag genau diese Absicht bekundet. Schließlich wollen sie die Nutzung erneuerbarer Energien bis 2020 vervierfachen und den Energieverbrauch um ein Fünftel senken. Unvermeidlich wird es daher zu harten Konflikten mit all jenen kommen, die davon profitieren, dass alles beim Alten bleibt. Folglich wird es darauf ankommen, dass die Politik ihr wichtigstes Instrument konsequent einsetzt: den Emissionshandel. Dabei legt der Staat nur eine Gesamtmenge der erlaubten industriellen Emissionen fest und vergibt dafür Lizenzen an die Unternehmen. Wer Abgas spart, kann Lizenzen verkaufen. Wem das nicht gelingt, der muss zukaufen. Unterm Strich findet der Klimaschutz dort statt, wo er am billigsten ist.
Der Aufwand macht aber nur Sinn, wenn die Lizenzen so teuer werden, dass klimaschädliche Investitionen unrentabel werden. Emissionsstarke Braunkohlekraftwerke etwa müssen ein Geschäftsmodell ohne Zukunft sein. Folglich muss die Zahl der Lizenzen kontinuierlich abnehmen. Und selbstverständlich dürfen sie künftig nicht mehr verschenkt, sondern müssen versteigert werden. Denn nur so lassen sich die Milliardenerlöse durch die steigenden Energiepreise aus den Konzernkassen in den Staatshaushalt umlenken. Dort werden sie dringend benötigt. Nicht nur müssen Niedrigverdiener für die teuren Energieausgaben entschädigt werden. Zugleich gilt es, all jene Effizienztechnik zu fördern, die zwar vernünftig, aber für Industrie und Hausbesitzer nicht ausreichend rentabel ist.
Dieser Ansatz mag radikal erscheinen. Aber wer verhindern will, dass in den Schwellenländern noch einmal drei Milliarden Menschen auf Kohle und Öl setzen, um zu Wohlstand zu gelangen, der muss jetzt den Energiemarkt so verändern, dass eine machbare Alternative sichtbar wird.
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