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Die Bauwirtschaft brummt in Deutschland. Und nicht nur sie.

© Wolfgang Kumm/dpa

Deutsche Konjunktur: Wenn es in der Kasse klingelt

Trotz Handelskonflikten und Exportschwäche hat Deutschland eine stabile Binnenkonjunktur. Warum das ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Es könnte für viele Bürger eine der teuersten Wochen des Jahres werden. Allerorten lockt uns Werbung für das bevorstehende Einkaufserlebnis und die tollsten Schnäppchen am „Black Friday“ und „Cyber Monday“. Konsumkritiker behaupten zwar, dass viele Nachlässe vorher schamlos auf die Preise aufgeschlagen worden seien. Doch schon jetzt steht fest, dass in den nächsten Tagen Millionen vor allem eins tun werden: kaufen, kaufen, kaufen.

Tatsächlich hofft der Handel auf zweistellige Umsatzsteigerungen im Vorweihnachtsgeschäft. Anders ausgedrückt: Der Konjunkturmotor brummt gewaltig. Nanu? Haben wir nicht noch gerade von Rezession und Krise gesprochen? In der deutschen Wirtschaft hat sich nach und nach etwas Grundlegendes geändert.

Wir haben plötzlich eine stabile Binnenkonjunktur, die uns hilft, Zeiten des sich abschwächenden Exports besser zu überstehen.

Zwar bereiten die zurückgehenden Aufträge in der von Ausfuhr abhängigen Industrie den Unternehmen und Gewerkschaften große Sorge. Neueinstellungen gibt es in der Boom-verwöhnten Metallindustrie derzeit kaum. Die Auswirkungen des von den USA angezettelten Handelskrieges treffen Deutschland mehr als andere ökonomisch entwickelte Volkswirtschaften. Genau dies sollten sie aus der Sicht von Präsident Donald Trump auch.

Aber deutsche Maschinen werden nicht wegen der Markierung „Made in Germany“ gekauft. Ihre Qualität wird geschätzt. Dass sie dennoch wegen des Preises konkurrenzfähig sind, bringen internationale Kritiker mit der Lohnzurückhaltung in Deutschland in Zusammenhang. Erhöht die Löhne, fordern sie, dann geben die Deutschen mehr Geld aus, entwickelt sich eine stabile Binnenkonjunktur, und die Exportabhängigkeit geht zurück.

Die Tariflöhne und Renten steigen deutlich

Genau dieser Hausaufgabe widmet sich das Land gerade: Die Tariflöhne steigen deutlich, eine Folge der Knappheit an Arbeitskräften. Natürlich liegt es auch an der Null-Zins-Politik der EZB, dass weniger gespart und mehr konsumiert wird. Profitiert hat davon aber nicht nur der Handel mit Konsumgütern, sondern vor allem das Handwerk und die Baubranche.

Renovierungen und energetische Sanierung von Häusern bescheren den Betrieben volle Auftragsbücher. Heizungsbauer suchen dringend Fachkräfte und locken künftige Lehrlinge mit einer Beschäftigungsgarantie für 30 Jahre.

Auch auf einem anderen Sektor gab es deutliche Lohnerhöhungen. Davon profitierten ungelernte Arbeitskräfte und viele Dienstleister. Die Einführung des Mindestlohnes zum 1. Januar 2015 hat nicht etwa zu dem von Arbeitgebern angedrohten Abbau von Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor geführt.

Im Gegenteil stieg auch in diesem Segment die Gesamtbeschäftigung an. Hinzu kommen nennenswerte Rentenerhöhungen. Im laufenden Jahr machten sie im Westen 3,18 Prozent, im Osten 3,91 Prozent aus.

Was wir also jetzt erleben, ist eine Normalisierung der deutschen Verhältnisse, eine Angleichung an Konjunkturzyklen der Nachbarländer. Der gewaltige Exportüberschuss hatte Deutschland zu einem Störenfried der internationalen Beziehungen, nicht nur des Handels, gemacht.

Wenn die Deutschen nun mehr konsumieren, werden sie ökonomisch betrachtet, normaler. Einen „Boxing Day“ wie im angelsächsischen Raum, einen verkaufsoffenen Weihnachtsfeiertag, müssen wir ja deswegen nicht auch noch einführen.

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