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Deutscher Kurswechsel: Pistorius lässt Kampfdrohnen kaufen – Ministerium spricht von „Gamechanger“
Die Bundeswehr liegt beim Einsatz und der Abwehr von Drohnen hinter anderen Streitkräften zurück. Nach langen, vor allem politischen Bedenken soll nun modernes Gerät beschafft werden.
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Neue Strategie bei der Truppe: Die Bundeswehr soll nach dem Vorbild der Streitkräfte anderer Staaten moderne und mit Sprengsätzen versehene Angriffsdrohnen bekommen. Die Verträge würden in den nächsten Tagen unterzeichnet, hieß es aus dem Haus von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Berlin. Demnach sollen zunächst kleinere Stückzahlen von mindestens zwei Herstellern eingekauft werden, um Erfahrungen in der Truppe zu sammeln und die praktische Ausbildung zu beginnen.
Nach früheren politischen Entscheidungen verfügt die Bundeswehr bisher nicht über diese fliegenden und teilautonomen Waffensysteme, die von Experten als „loitering ammunition“ – etwa „herumlungernde Munition“ – bezeichnet werden.
Drohnenwall ließe sich innerhalb eines Jahres errichten. Man braucht dazu noch Aufklärungssysteme, Satelliten und wahrscheinlich auch Aufklärungsdrohnen.
Gundbert Scherf, Mitbegründer und Co-Vorstandsvorsitzender von Helsing
Diese Bezeichnung bezieht sich auf die Verwendung im Flug, der über einem Einsatzgebiet so lange dauert, bis ein Ziel erkannt und attackiert werden kann. Wenn die Waffensysteme nur für eine einmalige Verwendung vorgesehen sind, werden sie auch als Kamikaze-Drohnen bezeichnet.
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Aus dem Ministerium wurden mit Hinweis auf noch nicht unterzeichnete Verträge keine Namen von Herstellern genannt. Deutschland lag in den vergangenen Jahren in der Rüstungstechnologie deutlich hinter den Entwicklungen in anderen Staaten zurück.
Unter den Herstellern solcher Waffen ist inzwischen auch das deutsche Unternehmen Helsing. Es hat für den Einsatz – zunächst in der Ukraine – die Drohne HX-2 entwickelt (Bild oben), die Künstliche Intelligenz nutzt, um Sprengladungen auf ein vom Soldaten bestätigtes Ziel zu steuern und dabei weniger anfällig gegen Störmaßnahmen zu sein.
Bundeswehr verfügt nicht über Angriffsdrohnen
Das Rüstungsunternehmen hatte jüngst für den schnellen Aufbau einer glaubhaften konventionellen Abschreckung an der Nato-Ostflanke mit neuartigen Kampfdrohnen plädiert. „Dieser Drohnenwall ließe sich innerhalb eines Jahres errichten. Man braucht dazu noch Aufklärungssysteme, Satelliten und wahrscheinlich auch Aufklärungsdrohnen“, sagt Gundbert Scherf, Mitbegründer und Co-Vorstandsvorsitzender, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Aus dem Verteidigungsministerium hieß es auch mit Blick auf Erfahrungen aus dem Kriegsverlauf in der Ukraine, Drohnen seien im heutigen Kriegsbild das, was Panzer vor 100 Jahren waren – „nämlich ein wirklicher Gamechanger“. Dabei könne der Einsatz im Verbund von Drohnen Gefechts-entscheidend sein, jedoch nicht kriegsentscheidend. Durch Drohnen allein sei Krieg nicht zu gewinnen.
Der bestehende Rückstand bei Drohnen werde aufgeholt, hieß es aus dem Verteidigungsministerium weiter. Die Verwendung werde künftig Teile einer „Jedermannsausbildung“. Alle Männer und Frauen in der Bundeswehr sollen Drohnen einsetzen können wie früher und heute ein Fernglas.
Die Militärplaner verweisen auch auf schnelle Entwicklungszyklen. Deswegen nütze es nichts, große Lagerbestände anzulegen, die dann bald wieder veraltet seien.
Probleme bei Abwehr von Drohnen über Bundeswehr-Einrichtungen
Eingestanden werden auch weiterhin erhebliche Probleme bei der Abwehr von verdächtigen Drohnen über kritischer Infrastruktur. Über bewohnten Regionen könnten diese nicht etwa einfach so abgeschossen werden, wenn Störmaßnahmen nicht greifen. Jedes Projektil schlage in Entfernung wieder auf dem Boden ein und könne damit zur tödlichen Gefahr werden.
Die Bundeswehr hatte auch Schwierigkeiten bei der Abwehr möglicher Spionagedrohnen über militärischen Einrichtungen eingeräumt. Die Truppe habe zwar unter anderem schultergestützte Störsender, doch es könne eine Zeitlang dauern, bis diese einsatzbereit seien, hatte der Sprecher der Bundeswehr in Schleswig-Holstein, Frank Martin, dem ARD-Magazin „Report Mainz“ gesagt.
So müssten etwa auf einem Truppenübungsplatz teils mehrere Kilometer mit dem Auto zurückgelegt werden, um eine Drohne mit dem Störsender abzuwehren.
Die Sendung berichtete mit Verweis auf ein vertrauliches Papier aus dem Verteidigungsministerium, dass es in „unmittelbarer Nachbarschaft von Liegenschaften und Truppenübungsplätzen der Bundeswehr“ zwischen September 2021 und 2023 insgesamt 627 Drohnensichtungen gegeben habe. Nur eine Drohne sei erfolgreich abgewehrt worden. In jüngerer Vergangenheit seien wieder häufiger Drohnen rund um militärische Einrichtungen gesichtet worden. (dpa, lem)
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