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Freier vor der Fassade eines rot beleuchteten Bordells mit Prostituierten in den Fenstern in Düsseldorf.

© IMAGO/imageBROKER/scully

Deutschland als der „Puff Europas“: Wir müssen die Frauen besser schützen

Sollte Deutschland wie andere Länder Freier für den Sexkauf bestrafen? Bundestagspräsidentin Klöckner hat eine Debatte über Prostitution angestoßen. Diese ist dringend nötig.

Karin Christmann
Ein Kommentar von Karin Christmann

Stand:

Lust am erotischen Vergnügen offeriert das Bordell – es ist absolut beispielhaft herausgegriffen – auf seiner Website. „Ein ,Nein’ heißt auch bei uns ,Nein’“, steht dort weiter. Und dann: „Doch keine Sorge: Du wirst dieses Wort nicht allzu oft hören.“

Genau da sitzt der Schmerzpunkt. Über die Frage, was Freiwilligkeit bedeutet, lassen sich anhand des Beispiels Prostitution ganze Doktorarbeiten schreiben.

Oder man setzt ein schlichtes, starkes rhetorisches Ausrufezeichen. So wie jetzt Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. Deutschland sei der „Puff Europas“, hat sie gesagt. Und damit ein Thema auf die Agenda gesetzt.

Hunderttausende Frauen stecken in Deutschland in der Prostitution fest, viel zu viele von ihnen in einer Schattenwelt aus Elend, Drogen und Gewalt.

Julia Klöckner (CDU), Bundestagspräsidentin.

© dpa/Elisa Schu

Ja, es gibt sie, die selbstbewusste Sexworkerin. Sie sieht in der Wahl ihrer Tätigkeit einen Akt der weiblichen Selbstbefreiung. Auch gibt es die Prostituierte im Wohnungsbordell, die wenig über Selbstbefreiung nachdenkt, sich aber ehrlich freut, schnell viel Geld verdienen zu können. Es fällt ihr nicht schwer, dafür ihren Körper zur Verfügung zu stellen.

Doch die mediale Öffentlichkeit verzerrt die realen Verhältnisse. Die Sexworkerinnen, redegewandt, selbstbewusst, sitzen in den Talkshows, haben teils eigene Podcasts. Sie haben schlüpfrige Geschichten zu erzählen, da hören viele zu. Diese Gruppe ist zahlenmäßig klein, jedoch sehr präsent.

Körper und Seelen sind massiv beschädigt

Umgekehrt ist es bei den Frauen, die auf den Elendsstrichen der Republik vier, fünf Männer am Tag bedienen. Ihre Körper und Seelen sind massiv beschädigt. Sie haben keine heißen Storys darzubieten, sie passen nicht zu den Medienbühnen der Republik. Wenn ein Mann sie schlägt, ihnen Gewalt antut – was sollen sie tun? Wer hört ihnen zu, wer hilft ihnen?

Freiwilligkeit? Nicht mehr als ein Wort.

Klöckners Worte wirken, weil sie es ist, die sie gesagt hat. Eine Bundestagspräsidentin findet qua Amt Gehör. Doch der Satz, den sie gesagt hat, ist nicht neu. Hinter ihm versammeln sich konservative Kreise seit langem. So wie hinter der Forderung, die sie daraus ableiten: nämlich die nach einem Sexkaufverbot. Die Idee ist, nicht das Tun der Prostituierten, sondern das der Freier unter Strafe zu stellen. Auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, ebenfalls CDU, ist dafür. Und es gibt gute Argumente.

Der Markt für käuflichen Sex ist außer Kontrolle

Rot-Grün hat 2002 die Sittenwidrigkeit der Prostitution beendet, auch mit der Absicht, die Frauen besser zu schützen. Nicht nur, aber auch wegen dieser Liberalisierung entwickelte sich Deutschland jedoch zu dem „Puff Europas“, den Klöckner nun benannt hat.

2017 verabschiedete die damalige Große Koalition ein Prostituiertenschutzgesetz, um den Markt stärker zu reglementieren. Doch ganz offensichtlich ist er außer Kontrolle. Trotz Anmeldepflicht für Prostituierte lässt sich nicht einmal deren Zahl belastbar schätzen. Angemeldet sind mehr als 30.000, die Dunkelziffer ist hoch.

30.000
Frauen sind als Prostituierte in Deutschland angemeldet. Die Dunkelziffer ist hoch.

In der vergangenen Legislatur bummelte die Ampel herum, verwies immer nur auf die laufende Evaluation des Gesetzes von 2017. Man hatte es nicht eilig. Aber es ist eilig! Die Union hat das erkannt. Die SPD hingegen ist intern noch uneins, ob sie für oder gegen das Sexkaufverbot ist.

Womöglich ist es nicht die beste Idee, Freiern mit dem Strafrecht zu drohen. Vielleicht richtet es am Ende mehr Schaden an, weil das Geschäft in die Illegalität gedrängt wird. Dort sind die Frauen noch schutzloser. Falsch aber ist es auf jeden Fall, von Prinzipien getrieben die Augen vor der Not zu verschließen, wie es die Pro-Sexwork-Fraktion tut.

Es kann auch ohne striktes Verbot viel getan werden, um die Prostitution einzudämmen. Ein deutlicher, langfristig finanzierter Ausbau der Ausstiegsberatung. Die Polizeiarbeit gegen Zwangsprostitution durchgreifend stärken, mehr Hilfe für Betroffene. Alles tun für einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel, der klarmacht: Die Dienste einer Prostituierten in Anspruch zu nehmen ist grundfalsch. 

Und dazu eine ehrliche Debatte, ob das Sexkaufverbot der richtige Weg ist. Oder jemand einen besseren Vorschlag hat.

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