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Mit einer Unterbrechung seit 2012 im CDU-Bundesvorstand: Monica Wuellner aus Stuttgart

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Neues Mitte-Netzwerk beklagt Kurs der CDU: „Wir reden über Dinge, die an der Lebensrealität vieler Menschen vorbeigehen“

„CompassMitte“ nennt sich der Kreis von Christdemokraten, der am Mittwoch seine Gründung bekannt machte. Das CDU-Vorstandsmitglied Monica Wüllner erklärt, warum sie den Aufruf unterzeichnete.

Stand:

Frau Wüllner, Sie haben als Mitglied des CDU-Bundesvorstands den Gründungsaufruf für das interne Netzwerk „CompassMitte“ unterzeichnet. Warum? Ist Ihnen die eigene Partei zu konservativ geworden?
Die CDU war nie nur eine konservative Partei, wir wurzeln bekanntlich auch im Liberalen und Christlich-Sozialen. Das kommt mir in letzter Zeit viel zu kurz – und auch anderen, für die das C in unserem Namen entscheidend ist. Wir waren lange Zeit relativ ruhig, jetzt hatten wir das Gefühl: Es reicht, wir müssen etwas sagen.

Geht es um die „Stadtbild“-Äußerungen von Parteichef Friedrich Merz und die jüngsten Wortmeldungen zum Umgang mit der AfD?
Nicht nur. Da hat sich schon länger etwas zusammengebraut. Angefangen hat das, als nach der Wahlniederlage 2021 plötzlich, wenn auch abstrakt, über die Streichung des C diskutiert wurde, das für mich und andere der Hauptgrund ist, überhaupt in der CDU zu sein. Es gab viel Unmut, Gleichgesinnte fanden sich zusammen und diskutierten.

Aber wurde Merz nach der Niederlage 2021 nicht genau deshalb CDU-Chef, weil andere in der Partei, namentlich die Konservativeren, sich nach den vielen Jahren unter Kanzlerin Angela Merkel zurückgedrängt fühlten? Gab sich nicht die ganze Partei ein konservativeres Grundsatzprogramm?
Das stimmt, ist aber nicht mein Problem. Mich stört der Ton unserer Politik, der eine falsche Musik erzeugt. Die CDU hat sich in eine populistische Ecke begeben, mit Ankündigungen und pauschalisierenden Aussagen, die meinem christlichen Menschenbild widersprechen. Wir waren immer eine Partei, die Dinge pragmatisch angepackt hat, ohne Schaum vor dem Mund, das Wohl aller im Blick. Wir reden jetzt viel über Dinge, die an der Lebensrealität vieler Menschen einfach vorbeigehen.

Also doch die leidige Stadtbild-Debatte?
Natürlich muss auch darüber diskutiert werden, es kommt aber auf das Wie an. Ich möchte, dass wir den einzelnen Menschen darüber nicht aus dem Blick verlieren. Wir sollten auch nicht versprechen, dass alles gut wird in diesem Land, wenn wir nur die Migration eindämmen. Jeder von uns weiß, dass die Probleme tiefer gehen.

Wir mögen nicht den Tonfall, das Wording, die Haltung, die sich bei vielen in der CDU breitgemacht hat.

Monica Wüllner über ihre Kritik an der eigenen Partei

In der Union gab und gibt es in der Debatte viel Zuspruch für Merz.
Das mag in der CDU-Mitgliedschaft auch gut ankommen. Ich glaube nur, dass es mit Blick auf die Wählerinnen und Wähler der falsche Kurs ist. Das zeigt sich auch an unserem Wahlergebnis und den Umfragen, die schlechter statt besser werden – egal, was man verspricht und ankündigt auf diesem Politikfeld.

Wir hatten zuletzt eher den Eindruck, dass nicht ehemalige Merkelianer fremdeln, sondern konservative Wirtschaftsliberale, weil Merz als Kanzler mit der SPD nicht das liefern kann, was sie sich erhofft haben?
Das ist Realpolitik in einer Koalition für eine Gesellschaft, die nicht nur aus CDU-Mitgliedern besteht. Die Kompromisse mit der SPD gefallen jemandem vom CDU-Arbeitnehmerflügel wie mir wahrscheinlich besser als eingefleischten Konservativen. Unsere Kritik richtet sich deshalb auch nicht speziell gegen Merz. Wir mögen nicht den Tonfall, das Wording, die Haltung, die sich bei vielen in der CDU breitgemacht hat.

Natürlich besteht das Gremium überwiegend aus Berufspolitikern, die sich in solchen Situationen zurückhalten, obwohl ich weiß, dass sie in der Frage ähnlich ticken.

Monica Wüller über den CDU-Bundesvorstand

Wo ist eigentlich die Mitte? Auch Merz oder Fraktionschef Jens Spahn wollen sie verkörpern, wenn Sie sagen, dass die Parteien der Mitte die Probleme im Land lösen müssen, damit nicht die AfD übernimmt.
Das stimmt. Gleichzeitig höre ich Sprüche, dass die Menschen rechts der Mitte gewählt hätten und trotzdem links regiert würden. Das passt nicht. Wer irgendeine Art von Öffnung hin zur AfD will, kann auch nicht für sich beanspruchen, Mitte zu sein. Übrigens stimmt die Aussage so auch nicht: Die Menschen haben überwiegend die politische Mitte gewählt und werden jetzt auch von ihr regiert. 

Zentral im Gründungsaufruf von „CompassMitte“ ist eine härtere Abgrenzung zur AfD – weder soll mit ihr abgestimmt werden dürfen, wenn es nur dadurch eine Mehrheit gibt, noch lokale Ausnahmen geben. Begibt man sich dann nicht tatsächlich in Abhängigkeit von SPD und Grünen?
Das sehe ich nicht so. Man kann Anträge immer so formulieren, dass sie eine andere Mehrheit finden – unter den Parteien in der Mitte sollte das immer möglich sein. Wenn partout keine Mehrheit im demokratischen Spektrum zu finden ist, stimmt vielleicht etwas mit dem Antrag nicht. Dieses Prinzip muss auch auf der kommunalen Ebene gelten, wenn es um Parkplätze geht.

Sie erwarten auch die ernsthafte Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens?
Ja. Wenn das nicht klappt, könnten wir versuchen, wirklich einmal die Strategie des Ignorierens anzuwenden. Es wird zwar behauptet, diese sei jahrelang angewendet worden und nun gescheitert. Meiner Wahrnehmung nach reden wir seit Jahren über die AfD und ihre Themen statt dass wir uns darauf besinnen, was wir richtig finden.

Sie sitzen selbst im Bundesvorstand. Wir hätten erwartet, dass dort solche Themen besprochen werden und Sie kein Mitte-Netzwerk brauchen?
Im Bundesvorstand werden solche Strategiedebatten meines Erachtens zu wenig geführt, die fanden zuletzt vor allem im Präsidium statt. Und natürlich besteht das Gremium überwiegend aus Berufspolitikern, die sich in solchen Situationen zurückhalten, obwohl ich weiß, dass sie in der Frage ähnlich ticken. Ich bin da etwas freier.

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