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Wer schon Betreuungsgeld bezieht, genießt Bestandsschutz. Die Hilfe wird weiter gezahlt.

© Patrick Seeger/dpa

Kinderbetreuung: Die Familienpolitik: Ein vermintes Gelände

Mit Betreuungsausbau, mit Elterngeld und mehr Hilfsangeboten geht das Familienministerium einen neuen Weg. Doch bei der Geburtenrate zeigt dieser Aufbruch noch wenig Wirkung.

Von Hans Monath

Kaum hatten die Karlsruher Richter vor zwei Wochen das Betreuungsgeld gekippt, brach wieder heftiger Streit los: In und außerhalb der großen Koalition beharkten sich die Parteien, machten sich gegenseitig Vorwürfe, wer nach der Verfassungsgerichtsentscheidung nun Eltern und Kinder im Stich lasse oder, im Gegenteil, für ihr Heil sorge. Wieder zeigte sich, dass die Familienpolitik vermintes Gelände ist, weil sie die Lebensentwürfe der Menschen und ihre ganz intimen Wünsche und Entscheidungen berührt.

Dabei ist es in Zeiten gesellschaftlichen Wandels nicht Aufgabe von Politik, Menschen ein bestimmtes Modell für ihr Leben vorzuschreiben. Die Bundesfamilienministerinnen der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte haben das auch nicht versucht. Die meisten Chefinnen dieses Ressorts haben – im Gegenteil – seit dem Aufbruch der deutschen Familienpolitik um die Jahrtausendwende herum die Wünsche von Frauen und Männern, Müttern und Vätern an die Politik mit den Instrumenten der Demoskopie genau beobachtet – und versucht, darauf zu reagieren. Zuvor hatten sich Spitzenpolitiker nicht für Familienpolitik interessiert. Nun rückte sie – mit Ausnahme der Amtszeit von Kristina Schröder (CDU) – ins Zentrum der politischen Debatte.

Ein romantisch idealisiertes Mutterbild

Ausgangspunkt war die Feststellung, Deutschland sei das Land, in dem die Kinderwünsche und die Zahl der tatsächlichen Geburten stärker auseinanderklaffen als in vergleichbaren Staaten. Eine Rolle spielt dabei ein romantisch idealisiertes Mutterbild, das inzwischen auf dem Rückzug ist. Den Begriff „Rabenmütter“ jedenfalls kennen andere Nationen nicht.

Dabei war den Planern im Familienministerium schnell klar, dass eine Steigerung der staatlichen Familienausgaben von jährlich rund 200 Milliarden Euro nach dem Gießkannenprinzip den potenziellen Eltern kaum helfen würde. Das Familienressort entwickelte deshalb mit wissenschaftlicher Unterstützung den Dreiklang von Betreuungsausbau, wirkungsorientierter finanzieller Hilfe und besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie (siehe Interview rechts). Der Kita- und Krippenausbau ermöglichte vielen Müttern, ihren Job zu behalten, das Elterngeld mit Vätermonaten brachte Fortschritte auf dem Weg hin zu einer gerechteren Lastenteilung in der Familie, die ausweislich aller Umfragen Ziel der meisten Elternpaare ist.

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Entgegen mancher Hoffnungen haben der Aufbruch der Familienpolitik und neues Geld für neue Leistungen die niedrige Geburtenrate von 1,4 Prozent aber nicht gesteigert, sondern allenfalls den Abwärtstrend gestoppt. Womöglich sind solche Erwartungen auch unrealistisch. Viele Experten sind der Meinung, dass das politische Umsteuern sich bei der Zahl der Geburten erst in ein bis zwei Jahrzehnten bemerkbar machen wird. Zugleich werden die Bedingungen für eine Familiengründung immer schwieriger. Anders als im vergangenen Jahrhundert müssen heute nicht nur junge Männer, sondern auch junge Frauen in einer kurzen Lebensphase die Ausbildung abschließen, in den Beruf einsteigen – und sich womöglich um Kinder kümmern.

Weit oben auf der Wunschliste der Deutschen an die Familienpolitik steht nach der jüngsten Umfrage des Allensbach-Instituts, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Das richtet sich auch an die Wirtschaft, die in Zeiten des Fachkräftemangels ein eigenes Interesse an flexibleren Lösungen hat. Weitere wichtige Punkte sind bessere Bildungschancen für Kinder von bedürftigen Familien, bessere Voraussetzungen, damit beide Partner berufstätig sein können und der Ausbau der Krippen – an allen Themen arbeitet die Familienpolitik.

An erster Stelle auf der familienpolitischen Agenda der Deutschen steht mit 72 Prozent die Aufforderung, solche Menschen zu unterstützen, die pflegebedürftige Angehörige, etwa Demenzkranke, zu Hause betreuen. Denn zur Familie zählen in immer mehr Haushalten nicht nur kleine Kinder, sondern ältere Verwandte. Schon spricht man von einer „Sandwich-Generation“: Kaum ist die Phase der Kindererziehung ausgestanden, wartet – in den meisten Fällen auf berufstätige Frauen – die Aufgabe, die Alten zu pflegen. Wie man sie entlasten kann, ist eine Frage, die zwar von der Politik erkannt wurde, bei deren Beantwortung sie aber noch am Anfang steht.

Bei Familienfragen greift die Politik in die intimsten Entscheidungen der Menschen ein. Vier Mütter und Väter berichten hier, wie sie ihre Kinder betreuen. Was sie stört und was sie sich wünschen.

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