
© imago
Die Gefahr des Populismus: Human oder egoman
Wer als demokratische Partei von Zugeständnissen an Hetzende profitieren will, wirkt mit bei der Demontage von Demokratie, Umwelt und offener Gesellschaft. Eine Kolumne von Sawsan Chebli.
Stand:
Wir sehen gerade dabei zu, wie eine scheinbare Allianz aus Rechtsextremen, Rechtspopulisten, sich anbiedernden demokratischen Parteien bis hin zu um ihre fossilen Geschäfte fürchtende Unternehmen über die Klima- und Migrationspolitik eine Entscheidungsschlacht darüber sucht, wie wir in unserem Land künftig leben wollen: Mit der Natur oder zum Schaden der Natur. Human oder egoman gegenüber den Armen der Welt. In nationalistisch-rassistischer Enge oder frei und gerecht.
Wie ich darauf komme? Nur einige Beispiele von vielen: Sachsens Ministerpräsident stellt das grundgesetzliche Asylrecht infrage, obwohl die Aufnahmekapazitäten seines Bundeslandes nur gut zur Hälfte ausgelastet sind. Kommunalpolitiker:innen und deren Verbände fordern rigorose Abschiebungen, auch wenn sehr viele Aufnahmesuchende derzeit aus der Ukraine kommen. Wen genau will man da eigentlich abschieben?
Der Vorsitzende der CDU sagt, dass mit „jeder gegenderten Nachrichtensendung ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD“ gingen. Andreas Scheuer von der CSU findet den ultrarechten US-Präsidentschaftsbewerber Ron DeSantis „sympathisch und erfolgreich“ und „teilt seine Analysen“. Die Grünen sehen sich mit ihrem Kampf ums Klima nicht nur berechtigter Kritik, was okay wäre, sondern vernichtenden Attacken und blindem Hass ausgesetzt. Mich treibt all das um und mich macht wütend zu sehen, wie viele Demokrat:innen diesem Treiben nicht entgegentreten oder sogar daran mittun.
Selbstverständlich ist jedwede Politik diskutabel. Doch ausgerechnet bei den bedeutendsten Zukunftsfragen Klima und Migration wird gezielt ein Politikverständnis diskreditiert, das sich nicht nur auf propagandistisch getriggerte Wählermeinungen und -ängste beruft. Wer nur beifallsträchtige Entscheidungen trifft, verfehlt sein demokratisches Mandat.
Wer nur populäre Positionen vertritt, bereitet das Feld für Populisten. Und wer als demokratische Partei von Zugeständnissen an Hetzende und Verhetzte profitieren will, wirkt mit bei der Demontage von Demokratie, Umwelt und offener Gesellschaft.
Wir wissen doch: Was unsere Demokratie ihren Feinden durchgehen lässt, schlägt unweigerlich auf die ganze Gesellschaft zurück, bis zu den Hitlergruß zeigenden Schulkindern. Selbst das wurde von vielen in den sozialen Medien noch mit angeblich schlechter Politik legitimiert! Derweil schließt die Hälfte der Deutsche nicht mehr aus, AfD zu wählen, rund ein Viertel der Ostdeutschen tut es bereits.
Zu sehr verhärten sich die Fronten, um noch dazwischen zu stehen. Wir müssen uns entscheiden.
Die gesellschaftspolitische Kolumne von Sawsan Chebli erscheint einmal im Monat.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: