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Politik: Die RAF, letztes Kapitel

Von Harald Martenstein

Vier Terroristen der Roten Armee Fraktion sitzen noch in Haft. Nun geht es darum, ob der Bundespräsident Christian Klar begnadigt und ob Brigitte Mohnhaupt freikommt, nach 24 Jahren Gefängnis. Bei Klar handelt es sich um Gnade, bei Mohnhaupt eher um einen juristischen Routinevorgang. Beide sind Mörder. Von beiden ist, nach menschlichem Ermessen, keine Gefahr mehr zu erwarten. Allerdings haben beide keine Reue gezeigt, sich nicht überzeugend von ihren Taten distanziert, sie haben nicht berichtet, was sie über die damaligen Ereignisse wissen und wie ihre eigene Rolle dabei aussah. Kurz gesagt: Einige RAF-Täter verhalten sich exakt so, wie sich auch die meisten NS-Täter verhalten haben, uneinsichtig und selbstgerecht bis zuletzt.

In Deutschland haben wir uns nicht nur von der Todesstrafe verabschiedet, sondern auch davon, Täter durch endlose Haft psychisch zu vernichten, und von der Idee, extreme Taten durch extreme Strafen sühnen zu können. Sühne im Sinne von Wiedergutmachung oder Ausgleich gibt es tatsächlich nicht, nichts wird ungeschehen, niemand wird wieder lebendig. Es nützt nichts, wenn der Staat sich die – verständlichen – Rachefantasien der Angehörigen von Mordopfern zu eigen macht, deren Schmerz kann höchstens die Zeit heilen. Auge um Auge? Unser Staat befindet sich zum Glück nicht auf Augenhöhe mit seinen Verbrechern, er verhält sich menschlicher als sie. Es ist richtig, Klar und Mohnhaupt freizulassen, mit dem Rest von Leben, der ihnen bleibt, schenkt man ihnen auch die Chance zu neuen Einsichten. Das Land ist voll von ehemaligen Verbrechern, die uneinsichtig sind, die leugnen, die aber ihre Strafe verbüßt haben. Sollen Straftäter etwa so lange im Gefängnis sitzen, bis sie endlich begreifen, was sie getan haben? Und wer soll das überprüfen?

Der Staat muss aber, wo er kann, seine Bürger schützen. Personen, von denen, im Gegensatz zu Klar und Mohnhaupt, noch eine massive Gefahr ausgehen könnte, dürfen deshalb nicht auf freien Fuß gesetzt werden. Genau das aber ist in den letzten Jahren allzu oft passiert. In Bayreuth regiert die CSU, die sich heftig gegen die Freilassung von Klar und Mohnhaupt wehrt. In Bayreuth wurde im Oktober eine junge Krankenschwester vergewaltigt und ermordet, von einem Sexualtäter, der vorzeitig aus der Haft entlassen worden war. Wieder einmal hatte ein Gutachter sich geirrt. In solchen Fällen muss es heißen: Im Zweifel für die potenziellen Opfer. In solchen Fällen bin auch ich für einen Staat, der sich, bei potenziellen Mördern, unbarmherzig verhält.

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