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Politik: Die Zukunft den Kleinen

Von Alfons Frese

Dieter Zetsche schließt nichts aus. „Wir haben interessierten Parteien mitgeteilt, dass sie Goldman Sachs kontaktieren sollen.“ Die Investmentbank sollte sich also im Auftrag des Daimler-Chrysler-Chefs auf die Suche nach einem möglichen Käufer für die Automarke machen. Das war vor einem Jahr – und es betraf den Kleinwagen Smart. Heute ist Chrysler dran, die US-Sparte des Konzerns. Indem Chrysler zur Disposition steht, fliegen nun auch dem letzten Enthusiasten der „Hochzeit im Himmel“, wie Jürgen Schrempp 1998 die Fusion von Daimler-Benz und Chrysler nannte, die Beziehungstrümmer um die Ohren. Die Welt AG ist kaputt. Unabhängig davon, ob Chrysler verkauft wird oder nicht.

Schrempps Ansatz war gut. Ein Unternehmen, das rund um den Globus mit der kompletten Produktpalette aus dem Fahrzeugbau vertreten ist, vom Smart bis zum Maybach, vom Sprinter bis zum Freightliner-Truck. Die Beteiligung an der japanischen Mitsubishi Motors sollte ein Weltauto im Kleinwagensegment bringen, die Beteiligung an der koreanischen Hyundai einen Weltmotor und die Fusion mit Chrysler schließlich die nötigen Größenvorteile. Hätte, sollte, könnte. Schrempp war ein Visionär, dem Tempo wichtiger war als Sorgfalt. Mit Chrysler und Mitsubishi holte er sich so kranke Partner ins Haus, dass Mercedes ebenfalls auszehrte. Und mit Hyundai gab es in der Zusammenarbeit mehr Ärger als Freude. Inzwischen ist die Beteiligung an den Koreanern ebenso wieder verkauft wie der Mitsubishi-Anteil. Nun schmerzt nur noch Chrysler. Das aber schon zum zweiten Mal.

Zetsche selbst war von Schrempp Ende 2000 zur Sanierung nach Detroit geschickt worden. Er war erfolgreich und wurde deshalb auch Schrempps Nachfolger. Erschreckend ist allerdings, wie kurz der Erfolg währte. Nach wenigen guten Jahren stürzte Chrysler jetzt schon wieder ab. Weil der Sprit plötzlich sogar den Amerikanern zu teuer wurde und sie deshalb immer weniger Pick-ups, Vans und SUVs kauften. Dummerweise besteht die Produktpalette der Chrysler Group mit den Marken Chrysler, Dodge und Jeep zu knapp drei Vierteln aus sehr durstigen Light-Trucks, Fahrzeugen, die kaum kleiner sind als ein Lkw. Chrysler baut, wie General Motors und Ford, die falschen Autos. Und der vermeintliche Chrysler- Sanierer Zetsche ist zu kurz gesprungen. Den Offenbarungseid, den Verkauf von Chrysler, wird er auch deswegen nicht leisten wollen. Mit dem Verkauf wird gedroht, um den Abbau von 13 000 Stellen durchzusetzen.

Zetsche braucht keinen Käufer, sondern einen Kooperationspartner. Vielleicht den chinesischen Kleinwagenbauer Chery oder VW oder beide, um mit denen gemeinsam schnell verbrauchsarme Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Fusionen und Übernahmen in der Autoindustrie sind out, auch wegen der Erfahrungen von Daimler-Chrysler. Stattdessen gibt es immer mehr Kooperationen bei einzelnen Modellen oder Motoren. Zum Beispiel Hybrid: Amerikanische und europäische Hersteller arbeiten zusammen an dieser Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor, um den Vorsprung Toyotas aufzuholen.

Im vergangenen Jahr wurden weltweit 56 Millionen neue Autos verkauft, im Jahr 2020 werden es voraussichtlich 75 Millionen sein; der Bedarf in China und Indien, Osteuropa und Russland ist gigantisch. Das sind gute Aussichten für die Autohersteller – und schreckliche für das Klima. Selbst die Amerikaner haben inzwischen das Energie- und Kohlendioxidproblem erkannt, ansatzweise sogar ihr Präsident. Es steht völlig außer Frage, dass die Autos kleiner, leichter, sparsamer und damit sauberer werden müssen. Wie der Smart. Der Wagen pustet jeden Kilometer 116 Gramm CO2 in die Luft, ein Mercedes im Schnitt 186 und ein Chrysler noch mehr, 241 Gramm. Smart gehört übrigens immer noch zu Daimler-Chrysler. Zetsche hat die Marke saniert und auf den Zweisitzer zurückgeführt. In diesem Jahr macht der Smart vermutlich erstmals Gewinn. Und 2008 wird der Kleine – zehn Jahre nach seiner Markteinführung in Europa – erstmals in den USA angeboten.

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