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Politik: Diktator im Endstadium

In Simbabwe wächst der Unmut über Staatschef Mugabe – nun auch in den eigenen Reihen

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Bankbeamte in Simbabwe haben inzwischen Mühe, die verklebten Geldscheine ihres Landes zu zählen. „Das war früher einmal viel Geld“, wird einer von ihnen in der südafrikanischen Presse zitiert. „Heute kann man davon im Supermarkt allenfalls das Notwendigste kaufen“, sagte der Mann. Kaum zwanzig US-Dollar, mehr sind die 200 000 Simbabwe-Dollar nicht wert.

Staatschef Robert Mugabe hat, unterstützt von seiner ihm bislang treu ergebenen Regierungspartei Zanu-PF, Simbabwe in den Abgrund gerissen. Die Landwirtschaft ist ruiniert, der Tourismus am Ende. Die Inflationsrate stieg im vorigen Monat über 1600 Prozent, die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 80 Prozent. Simbabwes Volkswirtschaft ist in den letzten Jahren so schnell wie keine andere auf der Welt geschrumpft.

Sieben Jahre nach Beginn dieses selbst für afrikanische Verhältnisse beispiellosen Niedergangs scheint sich nun jedoch das Ende der Mugabe-Tyrannei abzuzeichnen. Der Widerstand wächst: Am Sonntag gelang es der simbabwischen Polizei abermals nur mit roher Gewalt, eine Protestveranstaltung der oppositionellen „Bewegung für demokratischen Wandel“ (Movement for Democratic Change/MDC) zu zerschlagen. Ein Demonstrant wurde dabei erschossen. Über 100 Aktivisten wurden verhaftet, darunter auch MDC-Führer Morgan Tsvangirai sowie zwei Parlamentsabgeordnete. Schwer verletzt und mit Prellungen am ganzen Körper erschien Tsvangirai am Dienstagmittag vor einem Gericht in Harare. Das Laufen fiel ihm schwer, sein rechtes Auge war stark geschwollen. Der 55-Jährige war auf der offenen Ladefläche eines Lastwagens gemeinsam mit anderen Oppositionellen herantransportiert worden. Seine Anwälte hatten die von der Polizei zunächst missachtete Anhörung durchgesetzt. Anklage und Verteidigung einigten sich schließlich darauf, die Beschuldigten in einem Krankenhaus behandeln zu lassen.

Zum Verhängnis könnte Mugabe nun der Versuch werden, seine Amtszeit um zwei weitere Jahre zu verlängern – von 2008 auf 2010. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Wirtschaftslage haben sich nach Ansicht der angesehenen International Crisis Group (ICG) nun zwei mächtige Splittergruppen innerhalb des Regimes gebildet. Beide wollen Mugabe aus dem Amt drängen, um dadurch eine blutige politische Implosion des früheren afrikanischen Musterstaates vielleicht doch noch zu verhindern

Nach Einschätzung der ICG erinnert die Lage in der Hauptstadt Harare derzeit an das „letzte Stadium des Mobutu-Regimes im Kongo“ – ein Verweis auf den Sturz des früheren Diktators Mobutu Sese Seko, der sein Land 1997 nach über 30 Jahren Gewaltherrschaft verlassen musste. „Die extreme wirtschaftliche Not, die immer größere Unzufriedenheit in den Reihen der unterbezahlten Polizei und Armee, aber auch der wieder erstarkte Wille der Bürgergesellschaft, in den Straßen gegen das Regime zu protestieren, könnten zu einem plötzlichen Gewaltausbruch führen“, heißt es im Bericht der ICG.

Erste Anzeichen für eine interne Rebellion hatte es bereits im Dezember gegeben, als es der Kongress der regierenden Zanu-PF ausdrücklich ablehnte, die eigentlich für 2008 geplante Präsidentschaftswahl automatisch mit der für 2010 angesetzten Parlamentswahl zusammenzulegen, wie Mugabe es wollte. Auf diese Weise würden dem 83-Jährigen zwei weitere Amtsjahre gewährt. Seine Anhänger müssen nun das mächtige Zanu-Zentralkomitee in diesem Monat von der Zusammenlegung beider Wahlen im Jahr 2010 überzeugen.

Der Hauptgrund für den Sinneswandel findet sich nach Ansicht der ICG in den zunehmenden wirtschaftlichen Problemen des Landes, die nun auch Mugabes Günstlinge immer stärker zu spüren bekommen. Viele von ihnen litten unter den von der EU und den USA verhängten Sanktionen. „Die Aussicht auf einen Rückzug Mugabes hat vielen gesellschaftlichen Gruppen neuen Auftrieb gegeben“, glaubt François Grignon, ICG-Programmdirektor für Afrika. Vor allem die vom Regime eingeschüchterte Opposition habe Oberwasser erhalten.

Dabei hatte es noch vor wenigen Monaten in der Opposition mächtig Streit über den angeblich selbstherrlichen Führungsstil von Parteichef Tsvangirai gegeben. Nicht wenige hatten zudem die konfuse Strategie der MDC-Parteispitze nach den eindeutig manipulierten Parlamentswahlen im Jahr 2005 kritisiert. Statt mit Massenprotesten gegen den eklatanten Wahlbetrug vorzugehen, habe sich die Führung viel zu früh in ihr Schicksal gefügt, hieß es damals. In den letzten Monaten hat sich die Lage zugespitzt. Mindestens ein Drittel der etwa 12 Millionen Simbabwer, so Schätzungen der UN, dürfte in diesem Jahr erneut auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein. Weite Bevölkerungskreise haben Mugabe auch nie verziehen, vor zwei Jahren aus Angst vor einem Aufstand der Armen zahlreiche Elendsviertel in den großen Städten willkürlich plattgewalzt zu haben Dabei wurden mehr als 700 000 Menschen obdachlos gemacht – und die Not noch schlimmer.

Trotz der jüngsten Zuspitzung der Lage bezweifeln einige Beobachter, dass es wirklich zu einer offenen Rebellion gegen Mugabe kommt, wie sie die ICG für möglich hält. Schließlich habe er seine Partei seit 27 Jahren mit eiserner Faust geführt. Ein interner Aufstand sei schon deshalb nicht zu erwarten, weil gegen Abweichler knallhart vorgegangen wird – und weil zumindest die oberen Ränge in Polizei und Militär dem Despoten noch immer ergeben sind. Zudem habe sich Mugabe von Abweichlern – wie zuletzt seinem langjährigen Mitstreiter Edgar Tekere – rigoros getrennt. Der einstige Vertraute Mugabes war Ende Februar aus der Zanu-PF geworfen worden, nachdem er in einem Buch den Staatschef scharf kritisiert hatte. Tekere selbst nahm den Ausschluss gelassen hin: „Die Ablösung Mugabes ist meine letzte Kampagne für dieses Land. Wir müssen den Mann jetzt stoppen. Er muss so schnell wie möglich gehen, weil er das Land ruiniert hat.“

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