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Politik: Draskovic-Vorstoß nicht mit Milosevic abgestimmt / NATO setzt wieder auf russische Diplomatie

BELGRAD/BONN (Tsp).Der Westen hat skeptisch auf die Worte des Belgrader Vizepremiers Draskovic reagiert, wonach die jugoslawische Führung im Kosovo-Konflikt kompromißbereit sei.

BELGRAD/BONN (Tsp).Der Westen hat skeptisch auf die Worte des Belgrader Vizepremiers Draskovic reagiert, wonach die jugoslawische Führung im Kosovo-Konflikt kompromißbereit sei.Draskovic selbst räumte am Dienstag ein, daß er mit Präsident Milosevic nicht über eine Bewaffnung einer Friedenstruppe gesprochen habe.Verteidigungsminister Scharping legte in Bonn Bilder mit verstümmelten Leichen vor, die serbische Greuel im Kosovo dokumentieren sollen.Der Westen bemühte sich derweil weiter um die Einbindung Rußlands.Die NATO will ihre Angriffe verstärken.

Die Serben haben nach Darstellung Scharpings im Kosovo bereits vor dem NATO-Einsatz Greueltaten von unbeschreiblichem Ausmaß verübt.Er zeigte am Dienstag auf der Hardthöhe Fotos, die Ende Januar von einem deutschen OSZE-Beobachter in Rogova im Nordosten des Kosovo gemacht worden waren.Der Beobachter sei unmittelbar nach der Ermordung von Kosovo-Albanern durch die Serben dorthin gekommen.Die Leichen seien noch mit Baseballschlägern zugerichtet worden, sagte Scharping.Auch jetzt rissen die Massaker nicht ab.Der Minister berichtete von einer Frau und ihrem sechsjährigen Kind, die aus einem Miltärfahrzeug heraus erschossen worden seien.Mädchen und Frauen im Alter von zwölf bis 60 würden vergewaltigt.Es gebe aber immer mehr Hinweise für "Risse im Gefüge" bei der serbischen Führung, sagte Scharping.

Jugoslawiens Vizepremier Draskovic hatte in Belgrad zwar zuvor noch einmal darauf beharrt, Jugoslawien stimme der Stationierung einer internationalen Friedenstruppe mit NATO-Beteiligung zu.Die NATO bezweifelte die Glaubwürdigkeit des Angebots.US-Außenamtssprecher Rubin nannte es eine "offene Frage", inwieweit der frühere Oppositionspolitiker für die jugoslawische Führung spreche.Die Bundesregierung beurteilte die Aussagen skeptisch, wie Außenamtssprecher Erdmann in Bonn erklärte.

Derweil laufen neue diplomatische Initiativen.Neben UN-Generalsekretär Kofi Annan will auch Scharping am heutigen Mittwoch nach Moskau reisen.Dies stehe zu 95 Prozent fest, sagte Scharping.Dort will er sich mit Rußlands Sonderbeauftragten Tschernomyrdin treffen.Dieser wies eine Meldung des Europarats zurück, wonach er am Mittwoch abermals nach Belgrad fahre.Eine solche Reise sei nicht geplant.Daß Rußland und der Westen in engem Kontakt bleiben, darauf einigten sich der stellvertretende US-Außenminister Talbott und der russische Außenminister Iwanow.Talbott sprach trotz grundsätzlicher Differenzen von gewissen Fortschritten.Präsident Jelzin forderte seinen jugoslawischen Kollegen Milosevic unterdessen implizit auf, Kompromisse einzugehen.Frankreichs Premier Jospin will Ende der Woche nach Albanien und Mazedonien reisen.

Die Europäische Union will den Nachbarstaaten Jugoslawiens verstärkt wirtschaftlich und politisch helfen.Die Nachbarn hätten jetzt schon Schäden in Höhe von zwei Milliarden Dollar errechnet, hieß es in Luxemburg.

Im Kosovo breitet sich nach UN-Angaben eine Hungersnot aus.Die Kosovo-Albaner verließen ihre Dörfer nicht allein unter dem Druck der serbischen Soldaten, sondern auch aus Mangel an Nahrungsmitteln, sagte die Sprecherin des Welternährungsprogramms Berthiaume.Manche Familien müßten sogar ihre Hunde und Katzen essen, um die tagelangen Märsche an die Grenze zu überstehen.Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge kann Mazedonien keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, bis neue Lager errichtet sind.Die ankommenden Vertriebenen müßten auf dem Boden unter Plastikplanen schlafen.

In der Nacht zum Dienstag bombardierte die NATO abermals die Zentrale der Sozialistischen Partei von Milosevic.Der Absturz eines Apache-Hubschraubers bei einem Übungsflug in Albanien hat nach Angaben der US-Armee keine Auswirkungen auf den geplanten Einsatz der Hubschrauber.Die USA haben derweil 33 000 Reservisten für den Kosovo-Krieg einberufen, wie das Weiße Haus mitteilte.

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