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Blick auf die Villa Adlon, in dem das Geheimtreffen am 25. November 2023 stattfand.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Eidesstattliche Versicherung zu Potsdamer Geheimkonferenz : Teilnehmer belastet Mitstreiter schwer

Was genau besprachen Rechtsextreme auf der Potsdamer Geheimkonferenz 2023? Ein Teilnehmer hat nun eine Eidesstattliche Versicherung vorgelegt und belastet Mitstreiter schwer

Stand:

Selbstverständlich sei es auf dem Treffen auch um deutsche Staatsbürger gegangen, sagt Erik Ahrens. Und zwar darum, wie man diese durch „maßgeschneiderte Gesetze“ und „hohen Assimilations- und Anpassungsdruck“ dazu bewegen könne, Deutschland zu verlassen. Das Konzept, das Ende November 2023 in der Nähe von Potsdam diskutiert worden sei, laufe faktisch auf „Vertreibung“ hinaus.

Diese Aussagen des langjährigen Rechtsextremisten Erik Ahrens haben Sprengkraft. Auch deshalb, weil er sie nicht im Rahmen eines Interviews von sich gab, sondern in einer Eidesstattlichen Versicherung festhalten ließ.

Ahrens will am Konzept mitgearbeitet haben

Die Eidesstattliche Versicherung liegt dem Tagesspiegel vor. Darin erklärt Ahrens, er kenne das fragliche Konzept auch deshalb sehr genau, weil er an dessen Ausarbeitung und Formulierung maßgeblich mitgewirkt habe. Es ziele darauf ab, durch ein „Maßnahmenpaket einen Assimilationsdruck zu erzeugen, der freiwillig oder unfreiwillig zur Auswanderung der betreffenden Personen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft führen soll“, versichert Ahrens. Dies solle Menschen „mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft betreffen“.

Dass gezielt auch über „nicht-assimilierte Staatsbürger“ gesprochen wurde, betont Erik Ahrens in seiner Eidesstattlichen Versicherung mehrfach.

Ein Teilnehmer habe etwa vorgeschlagen, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsbürgerschaft „wieder wegzunehmen“. Ein Anderer habe die Bildung einer Expertenkommission vorgeschlagen, die „die Umsetzung des Remigrationskonzepts unter juristischen, logistischen und ethischen Aspekten ausarbeiten“ sollte. Ahrens behauptet, es habe nicht bei der reinen Theorie eines Remigrationskonzepts bleiben, sondern in einen möglichst konkreten Plan münden sollen.

Schließlich habe für den Fall, dass eine patriotische Kraft an die Macht komme, ein „Plan in der Schublade“ liegen sollen. Mit „patriotische Kraft“, versichert Ahrens, sei eindeutig die AfD gemeint gewesen.

Ein dritter Teilnehmer habe von einer „Musterstadt“ in Nordafrika gesprochen. Dort könnten mehrere Millionen Menschen leben. Damit verfüge man über einen Ort, wo man Leute „hinbewegen“ könne. „Und alle, die sich für Geflüchtete einsetzten, könnten auch dorthin“, habe der Teilnehmer hinzugefügt. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe gegen sie.

Ahrens’ Eidesstattliche Versicherung ist auch deshalb bemerkenswert, weil sie die Berichterstattung des Recherchenetzwerks Correctiv bestätigt. Als Reaktion auf die Veröffentlichung der Recherche gingen im Januar 2024 deutschlandweit Hunderttausende auf die Straße.

Sieben Teilnehmer des Potsdamer Treffens gingen ihrerseits mit Eidesstattlichen Versicherungen gegen Behauptungen des Artikels vor. Deren Inhalte widersprechen den Aussagen, die nun Erik Ahrens eidesstattlich versichert hat, massiv. Mindestens eine Seite sagt also die Unwahrheit.

Die Recherche steht seit Januar 2024 auf unserer Webseite, trotz aller Versuche von Rechtsaußen, sie wegzuklagen.

Correctiv-Chefredakteurin Anette Dowideit

Nach eigenen Angaben hat Ahrens der rechtsextremen Szene mittlerweile den Rücken gekehrt. Auf Youtube veröffentlicht er Videos, in denen er von seinem eigenen Lernprozess berichtet. Seine Schilderungen wirken weitgehend konsistent und plausibel. Demnach sei er 2020 in das Umfeld der rechtsextremen Partei geraten, ab 2023 sei er dann „Nazi“ sowie „Intensivrassist“ gewesen.

In einem Video sagt Ahrens, er habe lange geglaubt, die AfD sei die einzige Kraft, die sich für Deutschland einsetze. Außerdem habe er damals gedacht, dass diese „eben die einzigen sind, die frei reden.“ Dann allerdings habe er festgestellt, dass das rechte Meinungsspektrum in Wahrheit noch deutlich restriktiver sei als der sogenannte Mainstream. „Rechte sind tatsächlich viel konfirmistischer“, sagt Ahrens nun.

Er habe erkennen müssen, dass „diese ganzen rechten Möchtegern-Anführer und Vordenker eben alle nicht wirklich verstehen, wie die Welt, die Gesellschaft oder irgendetwas funktioniert“.

Eine Uraufführung in Köln

Die Eidesstattliche Versicherung von Erik Ahrens hat das Recherchenetzwerk Correctiv am Mittwochabend im Rahmen einer Uraufführung am Kölner Schauspiel öffentlich gemacht. Das Theaterstück trägt den Titel „Geheimplan gegen Deutschland – ein Nachspiel“. Mit ihm richte man sich vor allem an jene Leute, die im Frühjahr 2024 nach Veröffentlichung der Recherche auf die Straßen gegangen seien, sagt Correctiv-Chefredakteurin Anette Dowideit gegenüber dem Tagesspiegel. „Jene von ihnen, die bei X und in anderen sozialen Netzwerken unterwegs sind, konnten seither nämlich den Eindruck gewinnen, unsere Recherche habe in Teilen oder sogar komplett nicht gestimmt.“ Dabei stehe die Recherche „seit Januar 2024 auf unserer Webseite, trotz aller Versuche von Rechtsaußen, sie wegzuklagen.“ 

Beim Geheimtreffen von Potsdam sei es darum gegangen, wie man es „für Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land möglichst unbequem machen kann“, sagt Dowideit. Dabei sei sogar über Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft beraten worden – über die Frage, ob man sie zu einer „Remigration“ aus Deutschland bewegen könne.

Anette Dowideit sagt: „Wenn man all die Folgeberichterstattung gelesen hat, all die juristischen Angriffe, konnte man als Unbeteiligter wohl mittlerweile den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkennen.“ Es sei Zeit, Klarheit zu schaffen, worum es wirklich in Potsdam gegangen sei: darum, Staatsbürger verfassungswidrig in zwei Klassen einzuteilen.

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