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Politik: Ein bisschen Wahlkampf

„Budget Day“ ist ein Nationalritual, das die Briten wochenlang in Atem hält. Erst recht jetzt, wo sie in der schlimmsten Schuldenkrise ihrer Geschichte und nur noch Wochen vor der Unterhauswahl stehen.

„Budget Day“ ist ein Nationalritual, das die Briten wochenlang in Atem hält. Erst recht jetzt, wo sie in der schlimmsten Schuldenkrise ihrer Geschichte und nur noch Wochen vor der Unterhauswahl stehen. So war Schatzkanzler Alistair Darling am Mittwoch stolz, dass er im Unterhaus bei der Vorstellung des neuen Haushalts eine kleine Verbesserung im Schuldenstand der Nation bekannt geben durfte. Statt der prognostizierten 178 Milliarden Pfund beträgt das Defizit nur 167 Milliarden Pfund oder 11,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der Chef der oppositionellen Tories, David Cameron, höhnte anschließend, dies sei „mehr, als alle bisherigen Labour-Regierungen zusammen leihen mussten“.

Britische Schatzkanzler sind mächtiger als ihre europäischen Kollegen. Sie müssen keine Vorverhandlungen mit dem Parlament oder den Koalitionsparteien führen und werden getragen nur von einer Welle wochenlanger Spekulationen und vielen guten Ratschlägen. So zog Darling am Mittwoch mit dem roten Haushaltsköfferchen ins Unterhaus ein und stellte den Finanzplan für das nächste Jahr vor. Viele Maßnahmen treten umgehend in Kraft. Zigaretten etwa wurden bereits am Mittwochabend teurer. Die Erhöhung der Alkoholsteuer um fünf Prozent folgt am Sonntag um Mitternacht.

Das Defizit fiel niedriger aus, weil die Arbeitslosigkeit der Briten niedriger und die Steuereinnahmen etwas höher waren als vorausgesagt. Unter anderem brachte die umstrittene Sondersteuer auf Bankerboni rund zwei Milliarden Pfund. Darling hatte sie eigentlich eingeführt, um die Banken von ihrer Bonussucht zu heilen. Diesen Zweck hat sie verfehlt. Insgesamt haben die Steuerzahler acht Milliarden Pfund an Gebühren für die gigantische Bankenrettung erhalten.

So konnte Darling insgesamt 2,5 Milliarden Pfund an Wohltaten für Wirtschaft und Wähler ausschütten, ohne sich vorwerfen zu lassen, er untergrabe Großbritanniens Kreditwürdigkeit. Immer wieder stellte der Schatzkanzler heraus, dass die Wohltaten für Wähler von den Reichen finanziert werden. „60 Prozent aller Steuererhöhungen, die wir seit Beginn der Krise angekündigt haben, werden von den fünf Prozent bezahlt, die am besten verdienen.“

Die Steuer auf den Grundbucheintrag für Häuser im Wert bis zu 250 000 Pfund wird gestrichen, um jungen Menschen den Hauskauf zu erleichtern. Dafür verdoppelt sich die Steuer für Immobilien über eine Million Pfund. Jubel gab es bei den Hinterbänklern der Labour-Partei, als Darling Maßnahmen gegen Steuerflüchtlinge ankündigte. Schon in wenigen Tagen werde ein Steuerabkommen mit dem karibischen Steuerparadies Belize abgeschlossen – dort hat der Hauptgeldgeber der Tories, Lord Ashcroft, seinen Hauptwohnsitz.

Dabei handelt es sich aber um ein rein politisches Manöver. Denn in wenigen Wochen wird Darlings Haushalt schon wieder Makulatur sein. Der Schatzkanzler weiß, dass er nach der Wahl nicht in sein Amt zurückkehren wird – unabhängig vom Ausgang. Es wird einen neuen Schatzkanzler und einen neuen Haushalt geben. „Auf 1,3 Billionen Pfund werden unsere Schulden steigen“, lästerte Tory- Chef Cameron. Die Sparanstrengungen Labours seien „völlig unzulänglich“. Darling kündigte harte Sparmaßnahmen ab 2011 an. Aber vorerst will man die Wähler mit den Details verschonen.

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