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Politik: Ein Verbund mit dem niedersächsischen Umland soll aus Finanzmisere helfen

Finanzpolitiker gelten gemeinhin als Ausbund von Seriosität. Aber auch sie leisten sich manchmal Traumtänzereien.

Finanzpolitiker gelten gemeinhin als Ausbund von Seriosität. Aber auch sie leisten sich manchmal Traumtänzereien. Zum Beispiel die Sanierungsexperten der großen Koalition in Bremen. Jahrelang hatten sie die Illusion genährt, das extrem verschuldete Bundesland mit derzeit knapp 670 000 Einwohnern könnte innerhalb weniger Jahre 50 000 bis 60 000 Neubürger anlocken und fast so viele neue Arbeitsplätze schaffen - und sich so aus der Finanzmisere befreien. In Wirklichkeit schrumpft der Zwei-Städte-Staat, zu dem auch Bremerhaven gehört.

Illusion Nummer zwei: Mit Hilfe der insgesamt 16,7 Milliarden Mark Sanierungsbeihilfen des Bundes könnte Bremen teils seine 17 Milliarden Mark Altschulden reduzieren und teils die Wirtschaft ankurbeln, um letztlich auf eigenen Beinen stehen zu können. In Wirklichkeit wächst der Schuldenberg weiter, und die geballte Wirtschaftsförderung scheint fast wirkungslos zu verpuffen.

Allmählich verschließen auch Koalitionspolitiker ihre Augen nicht mehr vor der harten Realität. Der Chef der Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann (SPD), hat jetzt erstmals angedeutet, dass sich Bremen nur noch retten ließe, wenn die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich verdoppelt würden oder wenn sich an der Weser "immer nur die zukunftsträchtigsten Branchen" niederließen. Beides sei aber "nicht sehr wahrscheinlich".

Daher hat sich Staatsrat Hoffmann jetzt ein anderes Überlebensrezept einfallen lassen: Bremen und das benachbarte Niedersachsen könnten ein "neues staatsrechtliches Gebilde" namens "Regionalkörperschaft Bremen-Unterweser" gründen, das die Landesgrenzen überwinden soll, ohne sie abzuschaffen. Der Zwei-Städte-Staat und die umliegenden Kommunen im Umkreis von etwa 30 Kilometern sollten wichtige Aufgaben - vor allem bei Wirtschaftsförderung, Verkehrsplanung und Naturschutz - dem neuen Gebilde überlassen, das ein eigenes Parlament und eine Art Regierung bekäme und selber Steuern erheben dürfte.

Die 1,3 Millionen Einwohner dieser Region wären nach Hoffmanns Modell sowohl Bürger Bremens als auch Niedersachsens, hätten also eine "doppelte Landesstaatsangehörigkeit". Die Hansestadt bliebe aber ein eigenständiges Bundesland, und die Vororte würden nicht eingemeindet, sondern wären weiterhin selbstständig, wenn auch mit geschrumpftem Aufgabenbereich.

Mit diesem Modell will Hoffmann erreichen, dass der "sinnlose Kräfteverschleiß" beim bisherigen "Bürgermeister-Wettbewerb" um die Ansiedlung von Firmen und Eigenheimen aufhört und dass Bremen von seinem Problem als "Hauptstadt ohne Umland" befreit wird. Der Mini-Staat muss zwar Straßen, Theater, Hochschulen und Krankenhäuser für Besucher aus dem Umland mitfinanzieren, doch die Steuern der über 100 000 Einpendler landen nur in ihren Wohnorten. Zudem ziehen immer mehr betuchte Bremer ins Umland, während sich in der Stadt die Sozialhilfeempfänger ballen.

Hoffmann möchte nun, dass die Region grenzüberschreitend eine "ganzheitliche Verantwortungsgemeinschaft" bildet und ihre Lasten intern ausgleicht. Die Alternative aus seiner Sicht: weiter in "wechselseitiger Abschottung" leben und womöglich gemeinsam in ein "jahrzehntelanges Dahinsiechen" geraten. Nur als "äußerste Notlösung" droht Bremen damit, etwa für Auswärtige die Theaterkarten zu verteuern. Umgekehrt könnte dann das Umland Kurtaxe bei Bremer Ausflüglern kassieren. Damit es nicht so weit kommt, wirbt Hoffmann jetzt für sein Kooperationsmodell. Er denkt sogar an Volksentscheide und vorsorgliche Verfassungsänderungen als nötige Rechtsgrundlagen.

Doch die Nachbarn wollen nicht. Der Präsident des Regierungsbezirks Weser-Ems, Hoffmanns Parteifreund Bernd Theilen, kündigte - wie auch andere Regionalpolitiker - "schärfsten Widerstand aus der Region" an: Bremen und das Umland müssten zwar ihre Planungen aufeinander abstimmen, aber der Stadtstaat dürfe seine Probleme nicht auf Kosten seiner Nachbarn lösen. Auch die SPD-Landesregierung in Hannover findet, dass nur Bremen Vorteile von diesem Modell hätte - und sie fordert sogar eine Entschuldigung, vor allem für Hoffmanns Geheimdiplomatie: Er hatte sein Papier streng vertraulich zunächst nur ausgewählten Umlandpolitikern, aber nicht den Regierungskollegen in Hannover zugeleitet. Der CDU-Fraktionsvize im niedersächsischen Landtag, Hans Eveslage, fasste seine Kritik in einem Satz zusammen: "Die spinnen, die Bremer."

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