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Alice Weidel, Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD

© dpa/Elisa Schu

Einladung zu Parlamentarischem Abend: So knüpft die AfD Kontakte zu Unternehmern

Anstoßen mit AfD-Vertretern? Für viele Unternehmer käme das nicht infrage. Doch nicht alle denken so. Wie laufen die Kontakte zwischen Partei und Wirtschaft?

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Die Gäste lachen in die Kamera. Zwischen Bier und Wein wirkt die Stimmung Anfang Oktober gelöst im lila erleuchteten Artrium der Deutschen Bank in Berlin-Mitte, Unter den Linden. Der Verband „Die Familienunternehmer“ hatte eingeladen – Vertreter aus Wirtschaft und Politik. So weit, so üblich im politischen Berlin.

Es sollte mehrere Wochen dauern, bis die Gästeliste und ein entscheidender politischer Schwenk eine Debatte auslösten. Denn eingeladen war hier auch die AfD. Der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Leif-Erik Holm, nahm teil. Damit steht die Brandmauer plötzlich nicht mehr nur auf politischer Ebene zur Debatte, sondern auch in der Wirtschaft. Wie kam es dazu? Und was bedeutet der Schwenk?

Die Präsidentin des Familienunternehmerverbands, Marie-Christine Ostermann, sagte dem Handelsblatt, das „Kontaktverbot“ zu AfD-Bundestagsabgeordneten sei seit dem Abend Anfang Oktober aufgehoben. Der Vorstand habe bereits im Frühjahr beschlossen, mit einzelnen AfD-Fachpolitikern ins Gespräch zu kommen.

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Das hat offenbar funktioniert. Holm sagte dem Tagesspiegel über den Parlamentarischen Abend des Verbandes: „Ich war dort zum ersten Mal eingeladen und bin mit vielen Gästen ins Gespräch gekommen.“

Leif-Erik Holm bei einer Sitzung im Deutschen Bundestag

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Andere Wirtschaftsverbände, wie der Zentralverband des Deutschen Handwerks oder der Verband der Digitalwirtschaft (Bitkom), lehnen Kontakte zur AfD weiterhin ab. Aus dem Verband der Familienunternehmer traten mittlerweile mehrere Mitglieder aus. Das „Handelsblatt“ berichtete in diesem Zusammenhang über Vorwerk, „The Pioneer“ über den Unternehmer Harald Christ. Auch die Drogeriekette Rossmann will sich zurückziehen.

„Viele Unternehmer wollen nicht mit der AfD zusammengebracht werden. Das ist auch insofern nachvollziehbar, als Kontakte sich negativ auf die Unternehmensaktivitäten auswirken können“, sagte Politikwissenschaftler Benjamin Höhne dem Tagesspiegel.

Holm sagte dem Tagesspiegel: „Verbände und Unternehmer suchen Kontakt zu uns. Umgekehrt sprechen wir, etwa auf Landesebene, auch Unternehmen an, um ins Gespräch zu kommen.“

Höhne formulierte es so: „Die Wähler und Wählerinnen der AfD bilden mittlerweile eine gewisse Breite der Gesellschaft ab. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich darunter auch Unternehmer und Verbandsvertreter befinden, die mit Rechtspopulisten sympathisieren.“

Auch wenn das Thema gerade neu wirkt – man darf nicht vergessen, dass die AfD mit dem Image einer Professorenpartei gegründet wurde, die sich kritisch mit deutscher Wirtschaftspolitik auseinandergesetzt hat.

Wirtschaftskompetenz und Migration

Heute versucht die Partei, das Thema neben der Migration wieder stärker zu setzen. Die Erzählung soll sein: Kanzler Friedrich Merz und mit ihm Union und Regierung haben etwas versprochen, was sie nicht halten. Die wahre Wirtschaftskompetenz liege bei der AfD. Eine Erzählung, die bei manchen verfängt. Immer mehr Deutsche trauen der Partei Wirtschaftskompetenz zu.

Und neben nicht-öffentlichen Kontakten ist bereits einiges bekannt über die Nähe zwischen Partei und Unternehmern. Erst Ende August war AfD-Chefin Alice Weidel laut „Spiegel“-Recherchen Gast bei der Geburtstagsfeier von Molkerei-Milliardär Theo Müller. Müller bezeichnete Weidel in der Vergangenheit als „Freundin“, traf sich mehrfach mit ihr. Zwischenzeitlich kam es zu Boykott-Aufrufen gegen Müller-Produkte.

Der Unternehmer Winfried Stöcker spendete offen rund einen Monat vor der Bundestagswahl 1,5 Millionen Euro an die Partei. Auch mit dem Schweizer Medienunternehmer und Chef der „Weltwoche“, Roger Köppel, soll die Partei ein gutes Verhältnis haben.

Holm sagte: „Viele mittlere und kleine Unternehmen sind enttäuscht von der Merz-Politik und suchen gerade eine Alternative. Ich gehe davon aus, dass das Beispiel der Familienunternehmer Schule machen wird.“

Weidels Sprecher Daniel Tapp sagte dem Tagesspiegel: „Schon im Zuge der Energiekrise, aber auch der Bauernproteste haben immer mehr mittelständische Betriebe Kontakt zur AfD gesucht.“ In der Regel sei man im Gespräch mit einzelnen Unternehmen, nicht mit Verbänden. „Aber wir hören, dass der Austausch mit der AfD auch dort diskutiert wird. Wir haben immer versucht, in Kontakt zu kommen. Möglicherweise findet jetzt eine Trendumkehr statt.“

Das bleibt allerdings abzuwarten. Politikwissenschaftler Höhne ordnete es so ein: „Man sollte das Ganze nicht größer machen, als es ist. Wir sprechen hier nicht vom BDI oder der BDA. Der Verband ist eher ein kleiner.“

Auf der Internetseite argumentiert der Verband der Familienunternehmer heute: „Mit einem Andersdenkenden zu diskutieren, heißt nicht, seine Positionen zu akzeptieren.“ Demokratie lebe vom Streit um die besten Inhalte. So kann man argumentieren. Gleichzeitig ist diese Position eine klare Absage an die Brandmauer, auf die nach wie vor viele in Politik und Wirtschaft setzen.

Die Familienunternehmer sind dabei nicht unkritisch. Sie argumentieren: Die Wirtschaftspolitik der AfD sei gegen die Interessen der Familienunternehmen und ihrer Beschäftigten gerichtet. Die AfD-Politik bestehe aus „überwiegend falschen und in sich widersprüchlichen“ Rezepten.

„Die AfD ist weit entfernt davon, Regierungsämter zu übernehmen“, sagte Höhne. Und viele Wirtschaftsunternehmen sähen eher die Gefahren, die dies mit sich brächte – begrenzte Märkte etwa. „Insofern ist sehr fraglich, wie groß das Ausmaß der Sympathisanten tatsächlich ist. Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass Wirtschaftsvertreter in signifikantem Maße ihre Haltung zur AfD verändern.“

Ein Signal hat der Verband dennoch gesetzt. Die Deutsche Bank hat daraus Konsequenzen gezogen. Sie will ihr Atrium künftig nicht mehr für Veranstaltungen dieser Art zur Verfügung stellen.

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