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Politik: Entlarvend oder verharmlosend?

Opfer empört über neuen Stasi-Dokumentarfilm

Hans-Eberhard Zahn will sachlich bleiben. „Ein fataler Film für die Mehrheit unserer Bevölkerung“, sagt er, „sehr verharmlosend.“ Zahn war in Hohenschönhausen in U-Haft und wird nochmals mit dem Leiter des Stasi-Gefängnisses konfrontiert. Er sieht Siegfried Rataizick in die Kamera sagen: „Es war doch nicht so, dass wir als Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit Berührungsängste mit der Bevölkerung gehabt hätten.“ Und keiner widerspricht. Niemand rückt die Aussagen von neun Männern gerade, die zuletzt im Ministerium für Staatssicherheit das Sagen hatten und nun im Dokumentarfilm „Das Ministerium für Staatssicherheit – Alltag einer Behörde“ erzählen, wie es dort so zugegangen ist. Das findet nicht nur Zahn empörend. Die Berliner Erstaufführung des Films ist von Buhrufen durchsetzt.

Dabei wollten die Autoren Jan Lorenzen und Christian Klemke mit ihrem Dokumentarfilm nur das Beste. Neun ältere Herren, sagen sie anschließend, sollten sich in ihrer ganzen Spießigkeit und unreflektierten Pflichterfüllung selbst entlarven. Wenn sie von der „Konterrevolution“ von 1989 reden oder davon, dass sie sich nach dem Zusammenbruch gedacht haben: „Wenn man uns nicht mehr antut als wir anderen angetan haben, kann es nicht so schlimm werden.“ Oder: „Dass kein Schuss fiel, war ein Verdienst derer, die die Waffen hatten.“

Auch Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, hatte den Ansatz gelobt, die Täterperspektive zu zeigen: „Die wahre Bedeutung dieses Films wird vielleicht erst in 20 oder 30 Jahren deutlich werden.“ Denn die Interviewten, unter ihnen die Mielke-Stellvertreter Gerhard Neiber und Wolfgang Schwanitz, bleiben offensichtlich in ihrer verqueren Logik gefangen, schon ihre Sprache verrät es. Allerdings wird nicht erwähnt, was Kameramann Peter Badel vielleicht unabsichtlich verrät: Dass sich die Interviewten offenbar abgesprochen hatten.

Hans-Eberhard Zahn fragt sich, ob die Filmemacher alten Männern auf den Leim gegangen sind, die genau das sagen, was von ihnen erwartet wird und sich ansonsten als nette Opas mit schlechter Rente präsentieren dürfen. Den Glauben an das Urteilsvermögen der Zuschauer können auch andere nicht teilen. Sie rufen dazwischen, stürmen aus dem Saal. Außerdem, sagt Zahn ganz zum Schluss, „war die Stasi niemals eine Behörde, sondern eine Geheimpolizei“.

Jörg-Peter Rau

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