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Journalist Deniz Yücel wurde am Freitag von einem türkischen Gericht wegen angeblicher PKK-Propaganda verurteilt.

© imago images/Manngold

Update

Erneute Drohungen von Rechtsextremen: „NSU 2.0" droht in Mail auch Deniz Yücel

Die Drohmail-Affäre nimmt kein Ende: Am Freitag soll der Journalist Deniz Yücel von Rechtsextremen bedroht worden sein. Und es gibt noch mehr Opfer.

Erneut ist ein mit „NSU 2.0“ unterzeichnetes, rechtsextremes Drohschreiben verschickt worden. Ein anonymer Verfasser habe am Freitag mindestens zwei E-Mails mit identischem Inhalt an insgesamt 15 Adressaten geschickt, berichtete die „Welt am Sonntag“.

Zu den Empfängern sollen demnach neben Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) auch die Linken-Politikerin Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar gehören, die schon früher Drohschreiben erhalten hatten. Auch nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ging eine neue derartige E-Mail an eine Reihe von in der Öffentlichkeit bekannten Empfängern.

Die „Welt am Sonntag“ berichtete, in dem ihr vorliegenden Schreiben tauche erstmals der Name des „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel auf. Ein Sprecher des hessischen Innenministeriums in Wiesbaden sagte, bei solchen Drohmails entscheide die zuständige Staatsanwaltschaft, was der Öffentlichkeit mitgeteilt werden könne. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Yücel sagte der „Welt am Sonntag“: „Ich finde es verstörend, dass ich erst durch die Recherchen meiner Welt-Kollegen von diesem Drohschreiben erfahren habe.“ Weder die Polizei in Hessen noch in Berlin, wo Yücel lebt, hätte sich bislang mit ihm in Verbindung gesetzt.

Wegen des Vorgehens der türkischen Justiz gegen Yücel stand der Journalist immer wieder in den Schlagzeilen - jüngst wurde er in Abwesenheit wegen angeblicher Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu zwei Jahren und fast zehn Monaten Haft verurteilt. Das Urteil stieß auf scharfe Kritik der Bundesregierung.

Zwei weitere Frauen wurden bedroht

Der Sprecher des hessischen Innenministeriums sagte, mit rechtsextremistischen Mails bedrohte Bürger, die überwiegend in Hessen lebten, würden vom Landeskriminalamt des Bundeslandes kontaktiert. Es bewerte die Bedrohung und treffe „die entsprechenden Schutzmaßnahmen“. Bei Bürgern anderer Bundesländer würden gegebenenfalls die dortigen zuständigen Behörden informiert.

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Am frühen Samstagabend wurde bekannt, dass noch zwei weitere Frauen rechtsextreme Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0" bekommen haben. Das berichtete die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Eine Berliner Kolumnistin sowie eine Strafverteidigerin aus München wurden nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" im vergangenen Jahr von der hessischen Polizei informiert, dass entsprechende Briefe an sie abgefangen worden seien. Beide Frauen hätten zu ihrem Schutz anonym bleiben wollen.

Am Dienstag waren mehrere „NSU 2.0"-Morddrohungen per E-Mail an Linken-Politikerinnen in Hessen verschickt worden. Zuvor waren bereits Morddrohungen gegen mehrere Frauen des öffentlichen Lebens bekannt geworden.

Alle erhielten rechtsextremistische Drohmails unterzeichnet mit „NSU 2.0". Die nicht-öffentlichen Daten der Frauen sollen zuvor von Polizeicomputern in Frankfurt und Wiesbaden abgerufen worden sein. Betroffen sind unter anderen die Anwältin Seda Basay-Yildiz, die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler, die Kabarettistin Idil Baydar sowie die Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner.

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Bereits 2017 soll es einem Bericht des Südwestrundfunks (SWR) zufolge unzulässige Datenabfragen durch zwei hessische Polizisten gegeben haben. Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) kündigte am 10. Juli die Einsetzung eines Sonderermittlers zu den Drohmails an.

Seit 2015 wurde laut SWR gegen 65 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wegen rechtsextremer Bezüge ermittelt. Aktuell liefen noch 35 Verfahren. In 17 Fällen sei das Verfahren eingestellt worden. Am häufigsten wurde dem Bericht zufolge der strafrechtliche Vorwurf der Volksverhetzung erhoben, gefolgt von der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. (dpa, AFP)

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