
© dpa/Bernd von Jutrczenka
Finanzminister will „keine Trippelschritte“ machen: Klingbeil kündigt Rekordinvestitionen und „unbequeme Entscheidungen“ an
Der Haushaltsentwurf der Regierung sieht massive Ausgaben für die Infrastruktur vor. Klingbeil verspricht sich davon mehr Jobs und Wachstum. Die Opposition warnt indes vor einem „Winter der Enttäuschungen“.
Stand:
Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil hat angesichts eines drohenden Haushaltslochs von über 30 Milliarden Euro im Jahr 2027 tiefgreifende Einschnitte und Reformen gefordert.
„Ich bin fest davon überzeugt, die Bürgerinnen und Bürger wissen, es muss jetzt Entscheidungen geben“, sagte Klingbeil am Dienstag in der Bundestagsdebatte über den Regierungsentwurf für den Etat 2026. „Das dürfen keine kleinen Trippelschritte sein, sondern es müssen große Veränderungen sein.“
Klingbeil rechnete vor, dass der Bund im nächsten Jahr aus dem Kernhaushalt und schuldenfinanzierten Sondertöpfen 126,7 Milliarden Euro investieren werde. „Wir sorgen für mehr Wachstum, wir sorgen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und vor allem sorgen wir dafür, dass Arbeitsplätze in diesem Land sicher werden und wir mehr Beschäftigung bekommen.“
Es gebe eine „strukturelle Schieflage“ in den Bundesfinanzen und Milliardenlücken in der Planung für die nächsten Jahre. „Und wer glaubt, wir könnten einfach so weitermachen wie bisher, der irrt sich“, betonte der SPD-Chef. Andernfalls seien Wohlstand, Sicherheit und Zusammenleben gefährdet.
Wir alle wissen, dass Reformen überfällig sind.
Lars Klingbeil (SPD), Bundesfinanzminister
„Der Status Quo ist unser Gegner“, erklärte der SPD-Chef. Er habe daher alle Minister aufgefordert, „jetzt mit dem Sparen anzufangen“. Dementsprechend stimmte er die Bürger auf „mutige und teils unbequeme Entscheidungen“ ein.
„Wir alle wissen, dass Reformen überfällig sind, bei der Bürokratie, beim Sozialstaat, in der Wirtschaft“, sagte der Finanzminister. Ziel müsse es sein, die Beschäftigung ins Zentrum zu stellen, um Wachstum zu schaffen, die Sozialausgaben zu senken und die staatlichen Einnahmen zu steigern.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Klingbeil redet von „finanzpolitischem Paradigmenwechsel“
Kritik der Opposition an seinem Haushaltsentwurf wies Klingbeil zurück. „Mit den Investitionen aus dem Sondervermögen werden wir keine Haushaltslöcher stopfen, sondern wir werden sanieren, was jahrelang vernachlässigt wurde“, sagte er.
Diese Investitionen in die Infrastruktur dienten am Ende dazu, Arbeitsplätze zu sichern. Investiert werde nicht nur in Straßen, Schiene und öffentlichen Nahverkehr, sondern auch in Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser. Wenn die Infrastruktur funktioniere, könne auch die Wirtschaft wieder wachsen.
Klingbeil sprach mit Blick auf die hohe Verschuldung für Investitionen von einem „finanzpolitischen Paradigmenwechsel“, der international positiv wahrgenommen werde.
Zugleich verteidigte Klingbeil den Grundsatz des Sozialstaates, der denen helfe, die Hilfe bräuchten. Daran werde sich nichts ändern. Man dürfe jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass es zunehmend Schwarzarbeit, Ausnutzung und Missbrauch gebe: „Da muss der Rechtsstaat mit aller Konsequenz und Härte auch darauf reagieren.“
Opposition warnt vor „Winter der Enttäuschungen“
Nach Klingbeils Rede übte die Opposition scharfe Kritik am Haushaltsentwurf der schwarz-roten Bundesregierung. AfD-Haushälter Michael Espendiller warf Union und SPD „Finanztricksereien“ durch schuldenfinanzierte Sondertöpfe vor. Die Bürger hätten im Verfahren zur Aufstellung des Haushalts keine Lobby und keine Stimme, „aber sie sind es, die am Ende die Rechnung bezahlen“, kritisierte er.
Linken-Haushälter Dietmar Bartsch beklagte, grenzenlose Aufrüstung sei der falsche Grund für eine Aufweichung der Schuldenbremse. „Es gibt nur eines, was bei Ihnen schneller wächst als die Rüstungsausgaben, das sind die Schulden“, sagte er. „Ihre Haushaltslöcher sind nicht Löcher wie im Schweizer Käse, da ist nur noch Loch.“ Das werde man auch nicht mit einer Bürgergeldreform oder Wirtschaftswachstum schließen können. Stattdessen müssten Vermögende höher besteuert werden.
Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer warnte vor einem „Winter der Enttäuschungen“, wenn die Kommunen kein zusätzliches Geld für Investitionen in Busse, Bahnen und Schiene bekämen. Die Sozialversicherung müsse stabilisiert werden. „Wir brauchen Investitionen in unsere Infrastruktur, in Zukunftstechnologien, in Klimaschutz.“
Klingbeil eröffnete die viertägige erste Aussprache des Bundestages über den Etatentwurf. Verabschiedet werden soll der Haushalt Ende November. (dpa, Reuters)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: