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Frauenhäuser in Geldnot: Länder setzen Ministerin Paus unter Druck
Ein sicherer Rechtsrahmen für Frauenhäuser steht auf der Ideenliste der Ampel, doch damit geht es schleppend voran. Nun machen die Länderministerinnen bei den Finanzen Druck.
Stand:
Ministerin in Erklärungsnöten: Beim Thema Frauenhäuser machen die Länder Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) Druck. Deutschlandweit fehlen fast 15.000 Unterbringungsplätze für Gewaltopfer. Dennoch hatte die Ampel-Koalition die Mittel für den Ausbau im Bundeshaushalt 2023 gekürzt: von 30 auf 20 Millionen Euro. Verwiesen wurde darauf, das Budget werde gar nicht ausgeschöpft.
Kurze Zeit später jedoch musste ein Förderstopp verhängt werden, weil kein Geld mehr da war. Seit April heißt es auf der Homepage des Bundesinvestitionsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“, angesichts der hohen Nachfrage könnten neue Förderanträge „zurzeit nicht berücksichtigt werden“. Den Finger in diese Wunde legen nun die Frauen- und Gleichstellungsministerinnen und -minister der Länder.
Seit Donnerstag und noch bis Freitag tagen sie in Potsdam. Für Freitag steht ein Antrag auf der Tagesordnung, in dem der Bund aufgefordert wird, das Programm über das Jahr 2024 hinaus zu verlängern. Nach derzeitigem Stand würde es Ende kommenden Jahres auslaufen, und damit die Bundesförderung für den Aus- und Umbau von Frauenhäusern. Der Antrag liegt dem Tagesspiegel vor. Es ist damit zu rechnen, dass er am Freitag mit breiter Mehrheit beschlossen wird.

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Der Bedarf ist gewaltig: Seit gut fünf Jahren ist in Deutschland die Istanbul-Konvention in Kraft, ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt. Deutschland bräuchte rund 21.500 Plätze in Frauenhäusern für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder, um den Ansprüchen der Konvention zu genügen. Davon fehlen allerdings fast 15.000. Wie groß der Mangel ist, ist von Region zu Region sehr unterschiedlich.
„Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor ein riesiges, strukturelles Problem“, sagt Schleswig-Holsteins Gleichstellungsministerin Aminata Touré (Grüne). „Deshalb brauchen wir in ganz Deutschland ausreichend finanzierte Frauenhausstrukturen.“ Grundsätzlich müsse das Ziel sein, „Gewalt gegen Frauen insgesamt einzudämmen und die Ursachen zu bekämpfen, damit ein Aufenthalt im Frauenhaus gar nicht erst nötig wird“.
Das Bundesinvestitionsprogramm läuft noch bis Ende des Jahres 2024, doch nun ist das Geld vorerst aufgebraucht. „Der Antragsstopp im April kam sehr überraschend“, sagt Elisabeth Oberthür, Sprecherin des Vereins Frauenhauskoordinierung. „Uns erreichen viele Anfragen von Einrichtungen, die gern noch einen Antrag stellen wollten und nun enttäuscht und verunsichert sind.“
Im Antrag für die Ministerinnenkonferenz wird die Bundesregierung aufgefordert, in den künftigen Haushalten genügend Mittel einzuplanen. Die Kürzung für 2023 sei „bedauerlich“, der Bedarf „weiter hoch“. So sieht das auch Frauenhaus-Vertreterin Oberthür. „Wir hoffen sehr auf eine Verlängerung des Programms und, noch wichtiger, auf eine gute gesetzliche Grundlage, um die Finanzierung von Frauenhäusern in Deutschland nachhaltig und bedarfsgerecht abzusichern – so wie es im Koalitionsvertrag verabredet ist.“
Wie Frauenhäuser finanziert und von der öffentlichen Hand unterstützt werden, ist von Bundesland zu Bundesland und sogar von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Deshalb soll ein bundeseinheitlicher Rechtsrahmen her. Doch damit geht es eher schleppend voran. Das Familienministerium sei „aktuell mit vorbereitenden Arbeiten befasst“, sagt eine Sprecherin.
Zur Frage nach dem Förderstopp verweist sie darauf, die Mittelkürzung für den Haushalt 2023 sei „durch erhebliche Anstrengungen“ kompensiert worden. Im Mai, also nachdem der Förderstopp verkündet worden war, ließ das Ministerium mitteilen, die fehlenden 10 Millionen Euro hätten durch Umschichtungen innerhalb des Etats doch noch bereitgestellt werden können, es seien sogar noch Mittel obendrauf gekommen. „Wir sehen, dass es in den Ländern großen Bedarf an mehr Plätzen gibt. Dass der Bund für eine bessere Schutzinfrastruktur seinen Teil beisteuert, ist mir ein großes Anliegen“, sagte damals Ministerin Paus.
Für 2024 sollen dem Ministerium zufolge wieder 30 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Bekanntermaßen laufen aber die Haushaltsverhandlungen noch. Und selbst wenn die 30 Millionen Euro bewilligt werden, können keine weiteren Projekte mehr gefördert werden: Schon jetzt gibt es so viele Anträge, dass das Geld schlicht aufgebraucht ist. Ministerin Paus befürwortet eine Verlängerung des Programms über das Jahr 2024 hinaus, kann darüber aber nicht allein entscheiden.
Geplant ist auch ein Rechtsanspruch von Gewaltopfern auf einen Platz im Frauenhaus. Da ist es nicht der Bund, der auf der Bremse steht, sondern es sind eher manche Länder und Kommunen. Denn sie müssten einen solchen Anspruch vor Ort in die Tat umsetzen.
Vor kurzem hatte eine Umfrage im Auftrag des Kinderhilfswerks „Plan International Deutschland“ für öffentliches Aufsehen gesorgt: Mehr als ein Drittel der Männer zwischen 18 und 35 Jahren soll Gewalt gegen Frauen in der Partnerschaft für akzeptabel halten. Es kamen schnell Zweifel hinsichtlich der Methodik und Aussagekraft der Umfrage auf. Allerdings meldeten sich auch prominente Stimmen zu Wort, die die Ergebnisse für verlässlich halten, so etwa der renommierte deutsche Jugendforscher Klaus Hurrelmann.
Die Länderministerinnen und -minister haben die Umfrage zum Anlass für einen Entschließungsantrag genommen, der ebenfalls am Freitag auf der Tagesordnung steht. Man nehme die Ergebnisse der Umfrage „mit großer Besorgnis zur Kenntnis“, heißt es in der Entwurfsversion. Trotz „methodischer Schwächen“ werde „in alarmierender Weise deutlich, dass rückwärtsgewandte, sexistische und misogyne sowie homophobe Einstellungen“ weit verbreitet seien. Es brauche Anstrengungen auf allen politischen und zivilgesellschaftlichen Ebenen.
Hinweis: Nach Erscheinen dieses Artikels reichte ein Sprecher des Familienministeriums Informationen zu den Fördermitteln für das Jahr 2023 nach. Die entsprechende Passage wurde aktualisiert.
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