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Ein Flugzeug startet vom Flughafen in Düsseldorf und fliegt an der Sonne vorbei. (Symbolbild)

© picture alliance/dpa/Federico Gambarini

EU kippt Steuerbefreiung für Kerosin: Für 50 Euro nach Mallorca fliegen – das ist vorbei

Die Steuerbefreiung für Kerosin könnte bald Geschichte sein. Während Lufthansa um die Wettbewerbsfähigkeit fürchtet, begrüßt Easyjet die Vorschläge.

Flüge zum Taxipreis wird es zukünftig nicht mehr geben – wenn sich die EU-Kommission, die nun die Steuerbefreiung für Kerosin kippte, durchsetzt. Eine Mindeststeuer von 44,3 Euro auf 100 Liter Benzin, 48,2 Euro auf 100 Liter Diesel, 0,67 Euro pro Megawatt Strom, 4 Cent auf 100 Liter Heizöl – diese Mindestsätze sieht die EU-Kommission ab 2033 vor. Bis dahin sollen sie schrittweise angehoben werden.

Das steht im Reformvorschlag für die Energiesteuerrichtlinie, die die Kommission als Teil ihres „Fit für 55“-Pakets vorgelegt hat. Die Sätze beruhen auf einer neuen Bemessungsgrundlage: Die Abgabe soll sich künftig am Energiegehalt eines Energieträgers orientieren statt wie bisher am Volumen. Geht es nach der Kommission, werden für nachhaltige Kraftstoffe stark verminderte Steuersätze gelten.

Alle bisherigen Ausnahmen für fossile Energieträger sollen hingegen fallen. So auch jene für Kerosin. Ab 2024 will die Kommission rund 4 Cent pro Liter Kerosin erheben, 8 Cent ab 2025 und 40 Cent ab 2033. Für Fluggesellschaften könnte der Betrieb ihrer Flotten damit um einiges teurer werden. Die Lufthansa spricht bereits von einer „Milliardenbelastung“, die Ausgaben für Treibstoffe würden bereits heute bis zu einem Drittel der Betriebskosten ausmachen. Eine Sprecherin verweist zudem auf Wettbewerbsverzerrungen. Die Steuer würde schlicht dazu führen, dass der Zubringerverkehr einseitig verteuert würde.

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So könnten außereuropäische Airlines günstig zu ihren Hubs etwa in Doha oder Istanbul fliegen, während Flüge zu europäischen Drehkreuzen sehr viel teurer würden. „Ein europäischer Alleingang bei der Kerosinsteuer birgt das Risiko eines enormen wirtschaftlichen Schadens bei fragwürdigem Nutzen. Denn weder hat eine solche Steuer einen unmittelbaren Effekt auf die CO2-Reduktion noch fließen die Einnahmen in Klimaschutzprojekte im Luftverkehr“, kritisiert die Sprecherin.

Easyjet begrüßt EU-Pläne

Die paneuropäische Low-Cost-Airline Easyjet bezeichnete das „Fit for 55“-Klimapaket der EU dagegen als „Meilenstein für Europa“, der den Weg der Luftfahrt zu Netto-Null-Emissionen „2050 oder früher“ unterstützen könne. Ein Ziel, zu dem man sich bekenne, dass aber einige Verschärfungen der vorgeschlagenen Maßnahmen benötige.

So greife unter anderem der Vorschlag zu kurz, eine Kerosinsteuer nur auf innereuropäische Flüge anzuwenden, erklärte die Airline in einer Mitteilung. Langstreckenflüge zu Zielen außerhalb Europas machten zwar nur sechs Prozent aller Flüge aus, seien jedoch für 51 Prozent aller Emissionen verantwortlich. Für Easyjet ist ihre Besteuerung eine Frage der Gerechtigkeit: „Den Großteil der Menschen zu besteuern, während wohlhabende Business-Class-Passagiere, die auf Langstreckenflügen den Großteil des CO2-Ausstoßes der Luftfahrt verursachen, ausgenommen werden, ist sozial nicht gerecht.“

[Mehr zum Thema: Neubauer zum Klima-Aufschlag beim Sprit - „CO2-Preis auf Benzin hat überproportional viel Aggressionspotential“ (T+)]

Auch dass die EU sich im „Fit for 55“-Paket auf nachhaltige und strombasierte Kraftstoffe als Technologiepfad für die Luftfahrt konzentriert, passt der Kurz- und Mittelstrecken-Airline nicht. Die Dekarbonisierung der Luftfahrt müsse durch Wasserstoff- und Elektroflugzeuge unterstützt werden. Sie seien die Zukunft der Kurzstreckenflüge. „Wir hoffen, dass unsere Kunden bereits Mitte bis Ende der 2030er-Jahre mit Elektro-, Wasserstoff- oder Hybridflugzeugen fliegen werden“, sagte Easyjet-CEO Johan Lundgren.

Die Easyjet-Forderungen zeigen die divergierenden Interessen in der europäischen Airline-Landschaft auf, besonders zwischen Low-Cost-Airlines und den klassischen Netzwerk-Gruppen wie Lufthansa oder Air France-KLM. Letztere haben im Diskurs zur Klimapolitik vor allem ihre globale Wettbewerbsposition im Blick und lehnen eine Kerosinsteuer für Langstreckenfüge deshalb rundheraus ab.

Flugtickets werden teurer

Jekaterina Boening von der Organisation Transport & Environment (T&E) sieht die Lösung für das Problem von Wettbewerbsverzerrungen an anderer Stelle: Die Besteuerung müsse für alle Fluggesellschaften gelten, die einen europäischen Flughafen anfliegen – ganz gleich, wo der Hub der Airline liegt. „Die EU-Kommission ist dem Lobby-Druck der Branche sowieso bereits entgegengekommen und schlägt eine Übergangsfrist für die Kerosinbesteuerung von zehn Jahren vor“, sagt sie.

Auch kritisiert T&E, dass Cargo-Flüge und Privatjets von der Kerosinsteuer ausgenommen werden sollen. Das sei ein großes Manko des Vorschlags. Im Großen und Ganzen begrüßt die Organisation den Vorschlag jedoch und der Blick in die USA zeige, dass das Instrument funktioniere: Dort wird bereits eine Kerosinsteuer erhoben – wenn auch zu einem niedrigeren Satz als jenem, den die Kommission vorsieht. „Es ist völlig richtig, dass die Kommission hier nachzieht“, so Boening.

Der Preis, der durch die Kerosinsteuer dazukomme, sei pro Passagier überschaubar, rechnet der Thinktank Agora Energiewende vor. Dieser läge bei etwa 14 Euro pro Stunde Flugzeit, die auf ein Ticket draufgesetzt werden müssten. „In Kombination mit der Erweiterung des Emissionshandels hat das aber insgesamt dennoch Gewicht. Die billigsten Tickets fürs Fliegen haben damit spätestens 2033 ein Ende“, so Andreas Graf, Projektmanager für europäische Energiepolitik. Ein Flug von Köln nach Mallorca könnte dann zwar noch unter 100 Euro kosten, für weniger als 50 Euro wäre er aber wohl nicht mehr zu haben.

Dieselprivileg fällt – aber ohne Effekt für Deutschland

Neben der Kerosinsteuerbefreiung kippt der Vorschlag auch das Dieselprivileg. Diesel wird etwa in Deutschland trotz seines höheren Energiegehaltes im Vergleich zu Benzin niedriger besteuert. Allerdings hat die Kommission den Mindeststeuersatz so niedrig angesetzt, dass die Abgabe in Deutschland auch heute schon darüber liegt.

Anders sieht es unter anderem in Bulgarien, Spanien, Ungarn, Österreich und Polen aus. Dort müsste der Steuersatz angehoben werden, um die neue Mindestgrenze zu erreichen. „Für Deutschland hat das aber keine Auswirkungen“, erklärt Graf.

Auch die zuletzt befürchtete stark steigende Steuerbelastung von Heizöl wird sich kaum niederschlagen (Background berichtete). Zwar wird die Mindestbesteuerung verdoppelt, doch da sie von einem sehr geringen Niveau ausgeht, bleibt der Effekt gering. Heute liegt die Untergrenze für Heizöl bei 21 Euro pro 1000 Liter, bis zum Jahr 2033 soll sie auf 40 Euro hinaufgesetzt werden. „In diesem Bereich wird das ETS deutlich relevanter“, so Graf (Background berichtete).

Doch hat der Kommissionsvorschlag Chancen auf Umsetzung? Das dürfte eher schwierig werden, prognostiziert Blaine Camilleri vom European Envioronmental Bureau (EEB). „Wir hoffen, dass die Mitgliedsstaaten diese Möglichkeit wahrnehmen, um einen so sensiblen Sektor wie Energie angemessen zu besteuern“, sagt er.

Mit den derzeitigen rechtlichen Grundlagen sei dies jedoch nur schwer realisierbar. Denn Steuerfragen unterliegen in der EU dem Einstimmigkeitsprinzip. Alle Mitgliedsstaaten müssen also zustimmen, damit die Reform umgesetzt werden kann – eine Regelung, an der bereits frühere Reformversuche der Energiebesteuerung scheiterten. (mit Dennis Kazooba)

Alicia Prager

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