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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht zum Tag der Deutschen Einheit beim Festakt in Saarbrücken.

© Reuters/Jean-Christophe Verhaegen

Update

„Für eine neue Einheit“: Merz beschwört in Saarbrücken gemeinsame Kraftanstrengung aller Deutschen

Der Kanzler sagt in seiner Rede zum 35. Jahrestag der Wiedervereinigung, es gebe weiter Defizite, auch weil sich Menschen im Osten zurückgesetzt fühlten. Er mahnt zudem, vieles müsse sich ändern.

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Bundeskanzler Friedrich Merz hat zum 35. Jahrestag der deutschen Einheit eine gemeinsame Kraftanstrengung aller gefordert, um die gegenwärtigen Probleme zu bewältigen. „Vieles muss sich ändern, wenn vieles so gut bleiben oder gar besser werden soll, wie es in unserem Land bisher ist“, sagte er am Freitag auf der jährlichen Einheitsfeier, die diesmal in Saarbrücken stattfand. „Lassen Sie uns eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen für eine neue Einheit in unserem Land.“

Bei allen Problemen sei er stets der Meinung gewesen, „dass man von einem Gelingen der deutschen Einheit sprechen kann“, betonte Merz. Er räumte aber ein, dass es nach 35 Jahren nach wie vor Defizite gebe, weil sich etwa Menschen in Ostdeutschland mit ihren Lebenserfahrungen zurückgesetzt fühlten oder Ostdeutsche immer noch seltener in Führungspositionen zu finden seien.

Erinnern wir uns an die Zuversicht, mit der unsere ostdeutschen Landsleute vor 35 Jahren ihren Aufbruch wagten.

Friedrich Merz, Bundeskanzler (CDU)

„Wir – das sind alle Deutschen“, unterstrich der CDU-Politiker. „Wir verteidigen unsere Lebensweise in dieser rauer gewordenen Welt nicht als Westdeutsche oder als Ostdeutsche – wir verteidigen sie als Deutsche.“

Aus dem Misstrauensmodus müsse in einen Vertrauensmodus geschaltet werden. Nötig sei zugleich die demokratische Auseinandersetzung, auch wenn sie „nicht wohlgeordnet, nicht immer gesittet, nicht immer auf gleichem Niveau und auch nicht immer nur geprägt von Sachlichkeit und Fairness“ sei, betonte Merz. „Demokratie ist öffentliche Auseinandersetzung. Wenn wir hören, dass diskutiert und gestritten wird, dann hören wir die Demokratie.“

Er wolle „nur kurz zurückblicken“, sagte Merz. „Nach 35 Jahren deutscher Einheit – und in einer schwierigen Zeit für unser Land – sollten wir uns neu sammeln und mit Zuversicht und Tatkraft nach vorn blicken“, sagte er in der Saarbrücker Congresshalle.

Deutschland wolle ein demokratisches, rechtsstaatliches, wirtschaftlich starkes, soziales, solidarisches und europäisches Land sein. Dazu gehörten Gewaltenteilung, Machtkontrolle sowie die Freiheit der Rede, der Presse, der Kunst, der Wissenschaft, der Religionsausübung und der Berufswahl.

Merz sieht Deutschland unter starkem Druck

„Wagen wir einen neuen Aufbruch“, sagte Merz. „Erinnern wir uns an die Zuversicht, mit der unsere ostdeutschen Landsleute vor 35 Jahren ihren Aufbruch wagten.“ Ein positiver Geist könne viel Kraft freisetzen, Negativität und Larmoyanz vergeudeten dagegen viel Energie. Es gelte, aufzubauen, Neues zu wagen und Überkommenes hinter sich zu lassen. „Dann werden wir erleben, dass dieser gemeinsame Aufbruch eine neue Einheit stiftet und wir Spaltungen überwinden können.“

Deutschland und Europa stünden unter starkem Druck, betonte der Kanzler. „Neue Allianzen von Autokratien bilden sich gegen uns und greifen die liberale Demokratie als Lebensform an“, sagte er. „Die Weltwirtschaftsordnung wird umgeschrieben, Zollschranken werden errichtet, Egoismen werden stärker. Vielleicht sind wir auch deshalb wirtschaftlich schwächer geworden“, fügte er hinzu.

Dazu kämen technologische Umwälzungen. Das mache es auch viel schwerer, das Niveau der Sozialleistungen zu erhalten. Jahrelange „irreguläre, ungesteuerte Migration“ nach Deutschland habe das Land zudem polarisiert und neue Gräben in der Gesellschaft aufgerissen. Das Land stecke jetzt in einer entscheidenden Phase seiner Entwicklung.

Rehlinger sieht in Macron-Auftritt wichtiges Signal

Der Kanzler appellierte zudem an die Deutschen, dass eine Verantwortung für die Bewältigung der Probleme nicht nur Aufgabe der Politik sei. „Selbstverständlich übernimmt die Politik, übernehmen die Institutionen des Staates, übernimmt die Bundesregierung ihre Verantwortung“, betonte Merz.

Man sei sich der Dimension der Aufgabe bewusst. „Aber diese Dimension der Aufgabe muss von allen verstanden und angenommen werden, von der Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.“

Anke Rehlinger, Ministerpräsidentin des Saarlands, spricht zum Tag der Einheit in der Congresshale in Saarbrücken.

© Imago/Political-Moments

Zuvor hatte die saarländische Ministerpräsidentin und Bundesratsvorsitzende Anke Rehlinger (SPD) dazu aufgerufen, die Demokratie „nicht nur zu feiern, sondern vor allem entschlossen zu verteidigen“. Dazu müssten „im Zweifel auch jegliche Mittel, die die Verfassung bietet, vorbereitet werden“, sagte sie vor 900 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kirchen und Gesellschaft.

An der zentralen Feierstunde nahmen neben Merz, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron teil. Dass mit ihm zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren ein ausländischer Staatschef beim Festakt des deutschen Nationalfeiertages spreche, mache Rehlinger zufolge offensichtlich, dass das Saarland im Herzen Europas liege.

„Was für ein wichtiges Signal für die deutsch-französische Freundschaft, das damit von Saarbrücken ausgeht!“, so die Ministerpräsidentin unter dem Applaus der Teilnehmer. (Reuters, epd, dpa, epd)

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