zum Hauptinhalt
Eine Luftaufnahme der Außenstelle des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Affäre schrumpft zum Scheinriesen.

© Carmen Jaspersen/dpa/

Gericht streicht Anklage zusammen: Die Bremer Bamf-Affäre ist kleiner als angenommen

Zu Beginn der Affäre um Machenschaften der Bremer Flüchtlingsamt gab es 1200 Verdachtsfälle. Jetzt sollen von 121 Anklagepunkten nur noch 20 verhandelt werden.

Die angebliche Machenschaften im Bremer Flüchtlingsamt erschütterten die Asylpolitik, sie ließen Ermittler ein langes Sündenregister zusammenstellen. Doch nun sieht es nach einer Niederlage für die Ankläger aus. Von der umfassenden Anklage wegen angeblicher Missstände im Bremer Flüchtlingsamt bis 2018 lässt das Landgericht der Hansestadt nur wenige Punkte zur Verhandlung zu.

Ulrike B., die abgesetzte Bremer Außenstellenleiterin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) war bereits im Spätsommer 2019 angeklagt worden. Sie habe zusammen mit zwei mitangeklagten Rechtsanwälten „ein auf Dauer angelegtes System“ geschaffen, um Flüchtlinge vor Abschiebungen zu schützen oder ihnen einen günstigeren Aufenthaltsstatus zu verschaffen.

Monatelang hatte sich die Kammer durch die Akten gewühlt, um zu prüfen, ob Ulrike B. und die zwei Asylanwälte „einer Straftat hinreichend verdächtig“ erscheinen. So fordert es die Strafprozessordnung als Voraussetzung für die Eröffnung eines Hauptverfahrens.

Schlappe für Strafermittler

Das fast 80-seitige Ergebnis ist eine Ohrfeige für die Strafermittler: Von 121 angeklagten Fällen will die Kammer nur etwa 20 zur Verhandlung zulassen. Bei den zurückgewiesenen hundert Fällen sieht das Gericht „keinen Straftatbestand verwirklicht“, wie ein Justizsprecher auf Nachfrage erläutert. Gegen einen der mitangeklagten Anwälte, den Bremer Cahit T., soll gar nicht verhandelt werden, gegen Ulrike B. und den Hildesheimer Anwalt Irfan C. nur sehr eingeschränkt.

Was die abgesetzte Amtsleiterin besonders freuen dürfte: Bei ihr ist nicht mehr die Rede von Verstößen gegen das Asyl- und Aufenthaltsrecht. Demnach scheint das Gericht es nicht für strafbar zu halten, dass Ulrike B. beim Schutz für Flüchtlinge offenbar großzügiger vorging als andere Bamf-Außenstellen.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Als Anklagepunkte gegen B., die sich auch privat für verfolgte Jesiden einsetzte, bleiben jetzt nur noch „Nebenvorwürfe“ übrig, wie ihre Verteidigung es nennt: In zwei Fällen geht es um Vorteilsannahme, weil der mit ihr befreundete Asylanwalt C. bei Treffen mit ihr das Hotelzimmer für sie bezahlt haben soll. Außerdem wird ihr die Verletzung von Dienstgeheimnissen und „Fälschung beweiserheblicher Daten“ in je sechs Fällen vorgeworfen. Damit ist offenbar gemeint, dass B. Behördenmails an den Anwalt weitergeleitet und nach den ersten Hausdurchsuchungen belastende Daten gelöscht haben soll.

Anfangs gab es 1200 Verdachtsfälle

Nur noch dem Anwalt, selber ein Jeside, werden neben Vorteilsgewährung auch ausländerrechtliche Verstöße vorgeworfen: viermal gewerbsmäßiges Einschleusen und zweimal gewerbsmäßige Verleitung zu missbräuchlichen Asylanträgen. Laut Gerichtssprecher soll er darauf hingewirkt haben, dass Mandanten untertauchten, um sich einer Abschiebung zu entziehen. Die Staatsanwaltschaft äußert sich bisher nicht zu ihrer Schlappe. Sie will zunächst prüfen, ob sie Beschwerde beim Oberlandesgericht Bremen einlegt.

Anfangs, im Frühjahr 2018, waren die Strafverfolger noch von 1200 Verdachtsfällen aus den Jahren 2013 bis 2016 ausgegangen. [Anmerkung der Redaktion: Die frühere, falsche Angabe "2014 bis 2018" ist hier korrigiert.] Zunächst standen sechs Personen unter Verdacht, später sogar neun. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) entband Bamf-Präsidentin Jutta Cordt Mitte 2018 von ihrem Amt. Auf seine Weisung durften die rund 50 Bremer Bamf-Beschäftigten sechs Monate lang keine Asylanträge mehr bearbeiten. Seehofers Parlamentarischer Staatssekretär Stephan Mayer nannte die Beschuldigten „hochkriminell“ und „bandenmäßig“, was B. ihm allerdings gerichtlich untersagen ließ. So groß die öffentliche Empörung auch war, so stark schrumpfte nach und nach das Ausmaß der Affäre. Die Bamf-Zentrale hatte extra Dutzende ihrer Beschäftigten darauf angesetzt, nachträglich fast 13.000 Bremer Anerkennungsbescheide aus den Jahren ab 2006 zu überprüfen. Das Ergebnis: Nur bei 145 Verfahren fanden sich „bewusst manipulative Einflussnahmen“. Ob auch ablehnende Bescheide fehlerhaft waren, wurde nicht geprüft. (mit dpa)

Zur Startseite