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...und manchmal kriegen auch die Reichen Ärger. Straßenszene aus Berlin-Friedrichshain.

© imago/Christian Mang

Gesellschaft: Wenn Wenige den Ton vorgeben

Es sind vor allem die Reichen und Gutsituierten, die gesellschaftlichen Krawall machen. Die anderen kommen kaum vor. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Wie genervt und erschöpft die politische Mitte im Land ist, zeigen das bayerische Landtagswahlergebnis genauso wie die letzten Umfragen für Hessen. Die Wähler gehen zwar zur Abstimmung, sie haben aber keine Lust mehr auf die destruktive Auseinandersetzung mit der extremen Rechten. Sie ahnen: Sie sind gar nicht gemeint. Der politische Konflikt ist eine Inszenierung zu ihren Lasten.

Die neue amerikanische Studie „Hidden Tribes, A Study of America's Polarized Landscape“ erklärt, wer in den USA vor allem die politischen Extreme trägt und propagiert: Es sind die Reichen, die wirtschaftlich gut gestellten Akademiker, die Themen wie Migration, Geschlechtergerechtigkeit oder Rassismus moralisch aufladen und zu Fragen von Sein oder Nichtsein erklären.

In Deutschland ist das vermutlich nicht viel anders. Das Sinus-Institut, das zur Zeit die zutreffendste Beschreibung der deutschen Gesellschaft liefert, nennt diese Gruppen das „gesellschaftliche Leitmilieu“. Die Mitglieder dieser Schicht sind gut gebildet, und verdienen sehr gut. Man vertritt seine politischen Ansichten laut und selbstbewusst, und man wird gehört.

Die Mitte hat keine Zeit für Streit, die muss arbeiten

Obwohl nicht einmal ein Fünftel der Bevölkerung dieser Gruppe zugeordnet wird, bestimmt sie in Deutschland wie in den USA den politischen Diskurs. Wenn Mitglieder des Leitmilieus von einer allgemeinen Bedrohung durch Migranten (die Konservativen) oder durch Rassismus (die Progressiven) sprechen, kann man sicher sein, dass in ihrer Lebenswirklichkeit weder das eine noch das andere Phänomen sichtbar wird. Ausgerechnet sie aber führen den „weißen Bürgerkrieg“, wie die New York Times diesen Kampf nennt.

Die Überzeugungen der Mitte seien andere, schreiben die Autoren der Studie. Die weniger gebildeten Gruppen der Bevölkerung haben nicht so viel Zeit, sich politisch zu äußern. Sie müssen ja arbeiten. Diese Gruppen hielten viel mehr von Interessenausgleich, Kompromiss und Zusammenhalt. Auch interessierten sie sich eher für gute Nachrichten statt für die Untergangsphantasien der Bessergestellten. SPD und Union sollten diese Studie einmal sehr genau lesen.

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