Politik: „Gewalt löst das Drogenproblem nicht“
Afghanistans Industrieminister über die Schwierigkeiten beim Wiederaufbau
Stand:
Ihre Regierung hat im abgelaufenen Haushaltsjahr Probleme gehabt, ausländisches Hilfsgeld auszugeben. Woran liegt das?
In meinem Ministerium haben wir die Mittel sinnvoll einsetzen können, in anderen Ressorts war das nicht immer der Fall. Dort haben die Kapazitäten gefehlt, Projekte auszuarbeiten.
In Berlin wird diskutiert, ob deutsche Berater dabei helfen könnten.
Grundsätzlich ist eine Unterstützung natürlich willkommen. Wir haben allerdings immer wieder die Erfahrung gemacht, dass externe Berater schlecht auf die Aufgabe in Afghanistan vorbereitet waren und zu wenig über die Situation in unserem Land wussten. Eine gute Vorbereitung wäre daher eine wichtige Voraussetzung. Das deutsche Entwicklungsministerium könnte uns aber sicher dabei helfen, Projektpläne aufzustellen und eine Arbeitsteilung von deutschen und einheimischen Experten zu erarbeiten. Wichtig ist, dass nicht nur Projekte für einzelne Regionen ausgearbeitet werden, sondern für das gesamte Land. Es muss eine ausgewogene Wirtschaftsentwicklung stattfinden.
Wurde bisher zu sehr auf den militärischen Teil der Mission geschaut?
Sicherheit kann nicht nur mit militärischen Mitteln erreicht werden, sondern durch eine allgemeine Stabilisierung der Lage. Wir müssen daher künftig mehr Geld in den Wiederaufbau stecken. Das war Konsens auf den zurückliegenden internationalen Konferenzen.
Heißt das, Sie lehnen die derzeitige Militäroffensive im Süden ab?
Es ist notwendig, dass die Nato gegen die Taliban vorgeht. In der Provinz Helmand beispielsweise bedrohen sie den Kajaki-Staudamm, der sehr wichtig für die Energiegewinnung ist. Die USA planen hier bedeutende Investitionen, doch die Taliban blockieren das. Nach einem solchen Militäreinsatz muss jedoch gleich mit dem Wiederaufbau begonnen werden, damit die Menschen nicht enttäuscht werden – zumal es bei den Einsätzen leider immer wieder zivile Opfer gibt.
Was sind drängendsten Aufgaben?
In der Vergangenheit wurden Fehler gemacht, sowohl auf unserer Seite als auch auf Seiten der Geber. Manche Bereiche wurden vernachlässigt. Das betrifft vor allem die Energieversorgung. Vor zwei Jahren hatten sechs Prozent der Afghanen Strom, heute sind es zwölf Prozent, immer noch sehr wenige. Hier muss dringend mehr geschehen. Die Infrastruktur ist ein Schlüsselbereich. Energie, Wasserversorgung und Straßen, das sind die wichtigsten Aufgaben, die vor uns liegen. Auch die landwirtschaftliche Entwicklung sollte stärker gefördert werden, denn Afghanistan ist ein Agrarland. Hier gibt es die meisten Arbeitsplätze. Für Industrie ist es noch etwas früh.
In der internationalen Gemeinschaft wird über eine neue Antidrogenstrategie nachgedacht. Die Ernten der Bauern sollen legal aufgekauft und dann der Pharmaindustrie für die Produktion von Schmerzmitteln angeboten werden. Was halten Sie davon?
Es hat sich herausgestellt, dass wir das Drogenproblem nicht mit Gewalt lösen können. Die Zerstörung von Mohnfeldern hat nichts gebracht. Ich warne allerdings davor, die Drogenwirtschaft zu legalisieren, wie es nun diskutiert wird. Das ist überaus gefährlich. Die afghanische Polizei und die Armee sind noch nicht in der Lage, dies zu kontrollieren. Es könnte daher leicht passieren, dass neben der legalen Produktion weiter illegal Mohn angebaut wird. Erfolgversprechender ist der Weg über alternative Produkte wie Rosen für die Parfumherstellung oder Safran. Die Bauern sind durchaus bereit umzusteigen, auch wenn sie dann weniger verdienen. Sie möchten lieber legale Produkte anbauen.
Wird die Drogenmafia das zulassen?
Noch können wird das unter Kontrolle bringen, aber wir sollten nicht länger zögern.
Sind sie für die Zukunft optimistisch?
Wir sind eindeutig auf einem positiven Weg. Die Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft hat sich deutlich verbessert. Und der Strategiewechsel wird bereits sichtbar.
Das Interview führte Ulrike Scheffer.
Amin Muhammad
Farhang (67) ist seit 2004 Handels- und Industrieminister Afghanistans. Zuvor war er Aufbauminister. Farhang kehrte 2001 aus dem deutschen Exil nach Kabul zurück.
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