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Ein stehender ICE am Berliner Hauptbahnhof.

© Gestaltung Tagesspiegel/action press/Zuma Press

Arbeitskampf als Belastungsprobe für alle: Gehen die Gewerkschaften zu weit?

An diesem Montag legen Gewerkschaften den öffentlichen Verkehr lahm. Es wird zu massiven Behinderungen kommen. Ist das in diesem Maß erlaubt? Einschätzungen von drei Expert:innen.

Mit einem bundesweiten Warnstreik machen die Gewerkschaften EVG und Verdi am Montag Druck in ihren Tarifverhandlungen. Vom 24-stündigen Ausstand sind Millionen von Menschen betroffen. Der Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeugen in Deutschland kommt weitgehend zum Erliegen. Gehen die Gewerkschaften zu weit? In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Expert:innen, was jetzt zu tun ist. (Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.)


Das Streikrecht muss das Gemeinwohl beachten

Der Streik ist grundrechtlich geschützt. Und das ist gut so. Gleichzeitig betont das Bundesarbeitsgericht: Der Streik ist eine „scharfe Waffe“. Aber jeder Jurist weiß: Kein Grundrecht steht für sich allein. Deshalb muss auch das Streikrecht auf das Gemeinwohl Rücksicht nehmen. Wer ÖPNV, Bahn und Luftverkehr bestreikt, der spielt auch ein Stück über Bande: Der Druck auf den Arbeitgeber insbesondere des öffentlichen Diensts steigert sich durch den Druck auf die Öffentlichkeit.

Deutschland hat kein Arbeitskampfgesetz. Es braucht daher klare gesetzliche Regelungen, die sicherstellen, dass Arbeitsniederlegungen auch in diesen Bereichen möglich sind, aber gleichzeitig ein Streik so schonend für die Öffentlichkeit wie möglich durchgeführt wird. Andere Länder haben es vorgemacht.

Hier gibt es Ankündigungspflichten, damit die Bürgerinnen und Bürger sich auf den Streik einstellen können, und hier gibt es die Möglichkeit, die Sozialpartner erst einmal zu einer Schlichtung zu verpflichten. Erst wenn die nicht gelingt, darf gestreikt werden. Wichtig sind angemessene Notdienste, die vor dem Arbeitskampf verbindlich feststehen müssen. 


Eine Einschränkung des Streikrechts unangebracht

Die öffentliche Daseinsvorsorge ist ein elementarer Bestandteil unseres funktionierenden Gemeinwesens. Genauso wichtig ist es aber, dass die Beschäftigten sich für eine faire Lohnentwicklung und bessere Arbeitsbedingungen stark machen. Es liegt in der Natur der Sache, dass mit Streiks manchmal auch teils starke Einschränkungen für Dritte verbunden sind.

Die allermeisten Menschen zeigen sich trotzdem sehr solidarisch. Viele wissen, welchen Einsatz die Beschäftigten in diesem Bereich, im öffentlichen Dienst, bei Mobilität oder in den sozialen Bereichen tagtäglich leisten. Und welcher Druck auf den Beschäftigten lastet.

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Jetzt sind alle Seiten aufgerufen, die Verhandlungen konstruktiv fortzuführen und zu einem guten Ergebnis zu kommen. Forderungen nach einer Einschränkung des Streikrechts sind völlig unangebracht. Das Streikrecht ist ein Grundrecht und Teil des fairen Ausgleichs zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen. Wir stehen solidarisch an der Seite derjenigen, die den Laden am Laufen halten.


Im Streikrecht muss es Maß und Mitte geben

Das Streikrecht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist ein hohes Gut. Niemand darf oder will Streiks verbieten – in keinem Bereich. Aber bei Energieversorgung, Rettungsdiensten, Bahn oder Flughäfen muss Streik das letzte Mittel sein. Es darf bei so sensibler Infrastruktur nicht die erste Wahl sein. Damit kann nämlich ein ganzes Land in Geiselhaft genommen werden.

So droht es für Montag. Der Verkehr wird flächendeckend lahmgelegt – auf Kosten hunderttausender Unbeteiligter. Sie gehören keiner der Tarifvertragsparteien an. Und werden trotzdem in Mithaft genommen. Arzttermine platzen. Wer seinen Arbeitsplatz nicht erreicht, muss Urlaub nehmen oder auf Lohn verzichten. Dabei sind nicht alle Möglichkeiten einer Einigung ausgeschöpft.

Bei kritischer Infrastruktur muss für mehr Fairness gesorgt werden. Daher fordern wir an neuralgischen Punkten wie Bahnhöfen, im Gesundheitswesen, in der Energieversorgung oder an Flughäfen einen Streik-Vorlauf von vier Tagen und ein vorher abgeschlossenes Schlichtungsverfahren. Auch im Streikrecht müssen Maß und Mitte gelten.

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