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Politik: Grün ist das Risiko

Die Wahl im Norden ist ein Test für alle Parteien im Bund – vor allem für die von Fischer

Von Robert Birnbaum

Berlin – Mit wechselnden Winden haben sie so ihre Erfahrung im hohen Norden, aber so oft und so rasch wie vor dieser Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat der politische Wind selten gedreht. Was Wunder, dass das sonst so gerne gebrauchte Wort von der „Testwahl“ für die Stimmung im Bund spärlich geworden ist. „Wir hoffen auf alles und wetten auf nichts mehr“, hat dieser Tage ein führender Unionspolitiker resümiert – im Regierungslager klingt es ähnlich. Ein knapper Ausgang zeichnet sich ab. Was die Wahl erst recht zur echten Testwahl macht – unerwartete Folgen inklusive.

Jüngster Unsicherheitsfaktor: Die Grünen. In dem Land zwischen den Meeren ohnehin nicht allzu stark, bringt die Visa- Affäre um den Obergrünen Joschka Fischer zusätzliche Unruhe. Dass dessen Krisenmanagement in der Woche vor der Wahl ungeschickt war, leugnet die Grünen-Spitze öffentlich mit starken Worten. Abseits der Mikrofone ist die Sorge nicht zu überhören, dass Fischers Lavieren Folgen haben könnte. Der Parteilinke Winfried Hermann sagt sogar offen, was andere allenfalls andeuten: „Es wäre klüger, wenn wir nicht nur die anderen beschimpften, sondern auch fragen, was ist die Verantwortung unserer Leute“, zitiert ihn das Magazin „Focus“. So oder so, vermuten manche Grüne, wird die Wahl in Kiel zum Test für Fischer: Jedes halbe Prozent, das die Grünen gegenüber den Prognosen verlieren, werde automatisch dem Außenminister zugerechnet.

Damit ist die Frage etwas in den Hintergrund getreten, für die bisher Schleswig- Holsteins Wähler als Testpersonen auserkoren waren: Rot-Grün oder Schwarz- Gelb? Sowohl für die Berliner Regierungsparteien als auch für die Opposition gibt der Urnengang den Takt für eine andere, unvergleichlich wichtigere Entscheidung vor: die Landtagswahl in Nordrhein- Westfalen am 22. Mai. Die Wahl im größten Bundesland gilt gemeinhin als Vorentscheidung für die Bundestagswahl – und als letzte große Hürde für CDU-Chefin Angela Merkel vor der Kanzlerkandidatur. Am Sonntag also, wenn die Wahl in Kiel verloren geht, ein Vorgeschmack auf Putschrumoren in der CDU?

„Glaub’ ich nicht“, sagt ein Präsidiumsmitglied. Der Grund für diese Prognose heißt Peter Harry Carstensen. Der CDU-Spitzenkandidat ist mittlerweile parteiweit als Tollpatsch verschrieen, der wesentlich mit dazu beigetragen hat, dass die im vorigen Jahr noch so hoffnungsvollen Umfragewerte inzwischen eher mau sind. Dass der Gesundheitsstreit zwischen CDU und CSU das Ansehen der Union zusätzlich in den Keller gejagt hat – keine Frage. Aber auch unter Merkel-Kritikern in der CDU gilt es als schwierig, ihr das Abschneiden in Schleswig-Holstein direkt anzuhängen. Dass eine CDU-Niederlage mit Blick auf NRW für die Parteichefin gleichwohl übel wäre – keine Frage.

Um so gelegener käme sie Franz Müntefering. Der SPD-Chef hat schon das – tatsächlich gar nicht so besonders tolle – Abschneiden seiner Partei bei den NRW-Kommunalwahlen zur Trendwende erklärt; der entsprechende Sprechzettel für diesen Sonntag dürfte schon in seiner Schublade liegen. Sollte es freilich nicht dazu reichen, das rot-grüne Bündnis von SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis fortzusetzen, wird die Sache spannend. Gelingt gar der NPD der Einzug in den Landtag, wird sie doppelt spannend. Denn dann bliebe nach Adam Riese höchstwahrscheinlich nur noch eine große Koalition. Ein Vorbild für NRW, das dem SPD-Chef nicht passen dürfte. Zumal Herausforderer Jürgen Rüttgers unlängst im CDU-Präsidium berichtet hat, auch in Umfragen an Rhein und Ruhr stiegen die NPD-Werte an.

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