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Mutter und Kind direkt nach der Geburt: Es ist ein Wunder, jedes Mal.

© Foto: Patrick Pleul/lbn/dpa

Hebammenmangel und seine Folgen: Und wenn die Männer Kinder bekämen?

Der Hebammenmangel ist auch ein Zeichen der Geringschätzung für Frauen in einem der wohl schutzbedürftigsten Momente ihres Lebens. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Es ist schon ein besonderes Maß an Geringschätzung für werdende Mütter, das aus der Tatsache spricht, wie hartnäckig politisch unlösbar der Mangel an Hebammen in Berlin wie bundesweit zu sein scheint. Seit Jahren schon demonstrieren diejenigen, die in diesem Beruf tätig sind, für bessere Arbeitsbedingungen und Vergütung. Seit Jahren passiert wenig – und das, obwohl die Mangelsituation so existenzielle Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit von Patientinnen hat wie wohl nur in wenigen anderen Bereichen des Gesundheitssystems.

Wer ein Kind zur Welt bringt, ist zwar nicht krank. Aber in diesen Stunden steht alles auf dem Spiel, und eine Geburt ist eine Erfahrung, die die meisten Frauen für ihr Leben prägt. Sie kann zu einer furchtbaren, ja traumatischen Erinnerung werden, über die so manche nie hinwegkommt. Sie kann umgekehrt ein Erlebnis sein, aus dem die Gebärende für immer Kraft und Selbstvertrauen schöpft.

Es muss zum Standard werden, was jetzt noch utopisch klingt

Wie eine Frau später daran zurückdenkt, hat – falls Mutter und Kind grundsätzlich unbeschadet sind – nicht nur damit zu tun, wie viel die Gebärende zu erleiden hatte. Sondern auch damit, ob sie sich gut aufgehoben, umsorgt und ernstgenommen oder hilflos ausgeliefert und schlimmstenfalls gewalttätig behandelt fühlte.

Das subjektive Erleben der Frauen ist das eine. Darüber hinaus ist erwiesen, dass Geburten objektiv besser gelingen, wenn Gebärende kontinuierlich eins-zu-eins betreut werden. Es gibt dann weniger Komplikationen, weniger Kaiserschnitte, weniger Verletzungen. Das hat Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit von Mutter und Kind, bis hin zu möglichen Risiken für Folgeschwangerschaften.

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Zum Glück zielen bundesweit immer mehr Tarifverträge für Kliniken darauf ab, die Zahl der Gebärenden, die eine Hebamme parallel zu betreuen hat, zu reduzieren. Auch der jüngste Vivantes-Abschluss in Berlin soll das bewirken. Doch ein Tarifvertrag zaubert keine ausgebildeten und arbeitsbereiten Hebammen herbei, an denen es de facto fehlt. Das Problem lässt sich nur mittelfristig lösen. Dabei muss zum Ziel werden, was im Moment noch utopisch klingt: eine Eins-zu-eins-Betreuung als Standard in der Geburtshilfe.

Wie sähe die Personalausstattung in Kreißsälen eigentlich aus, wenn es Männer wären, die dort unvorstellbare Schmerzen durchzustehen hätten? Es geht nicht darum, eine Front zwischen den Geschlechtern aufzumachen. Auch vielen Männern, ob sie Väter sind oder nicht, ist eine Verbesserung der Bedingungen in der Geburtshilfe ein ehrliches Anliegen. Strukturell und politisch aber finden die Bedürfnisse werdender Mütter noch lange nicht die Beachtung, die angemessen wäre.

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