Politik: Heftiger als erwartet
Im Süden des Irak stoßen die Alliierten auf starken Widerstand von Saddam Husseins Truppen – und müssen Erfolgsmeldungen wieder zurücknehmen
Wäre es nach dem Willen der amerikanischen und britischen Strategen gegangen, dann hätten Fernsehteams schon gleich zu Beginn des Krieges Bilder von irakischen Zivilisten gezeigt, die massenhaft den Befreiern zujubeln. Mit solchen Bildern ließe sich auch international dem Widerstand gegen den Krieg der Boden entziehen. Doch bis jetzt ist das Gegenteil passiert: Mehrmals musste die alliierte Militärführung Erfolgsmeldungen wieder zurücknehmen, im Fall der Stadt Umm Kasr oder der Desertion der gesamten 51. Armeedivision von 8000 Mann, die sich um die südliche Provinzstadt Basra konzentriert hatte.
Möglicherweise erwiesen sich Informationen des US-Geheimdienstes, dass das irakische Regime die Elitetruppen der „Republikanischen Garden" vollständig um Bagdad konzentriert habe, als falsch. Die Republikanischen Garden gelten als weit höher motiviert als die demoralisierte reguläre Armee. Einige hundert Einheiten wurden offenbar in Städte im Süden des Irak eingeschleust, um dort die Kampfmoral der Armee zu stärken. Intensive Bemühungen Washingtons, über Drittländer hohe Offiziere zum Aufgeben und Repräsentanten des Regimes zur Auslieferung Saddams und seiner beiden Söhne zu bewegen, zeigten bisher keine Erfolge.
Beobachter überrascht vor allem, dass die Amerikaner im Süden des Irak, wo bei der blutig unterdrückten schiitischen Mehrheit der Hass auf das repressive Regime Saddams noch ausgeprägter ist als im Zentrum, auf solch heftigen Widerstand stoßen. Noch ist unklar, ob dies die ersten Anzeichen dafür sind, dass Washington politisch diesen Krieg verlieren könnte. Fest steht, dass bei den Attacken auf die Führung des Regimes in der Nacht auf Donnerstag Ali Hassan al Majid, der dem Diktator bedingungslos ergebene Vetter Saddams, entgegen ersten Meldungen nicht ums Leben kam. Der 63-jährige Majid, dem die Kurden den Spitznamen „chemischer Ali" gegeben haben, hat in der Vergangenheit schon mehrfach besondere Grausamkeit und Härte an den Tag gelegt. Majid trägt die Verantwortung für die Ermordung von mehr als 5000 Kurden in Halabscha im Jahr 1988 und wurde vor Kriegsbeginn mit der Organisation des Widerstands im Süd-Irak betraut. Dies ist für das Überleben des Regimes von zentraler Bedeutung. Es ist längst klar, dass Saddam eine Massenrebellion der im Süden konzentrierten Schiiten mindestens ebenso fürchtet wie amerikanische Bomben. Majid hat die Aufgabe, die Bevölkerung im Süden mit aller Härte so lange wie möglich unter Kontrolle zu halten. Kaum ein anderes Mitglied des Regimes wird so gefürchtet wie Saddams Vetter. Dass er – wenn nötig – wieder Gas gegen die Zivilbevölkerung einsetzt, halten Iraker für möglich.
Hat sich Washington also angesichts des irakischen Widerstands im Süden des Irak verkalkuliert? Oder stehen – im Gegenteil – Soldaten der Alliierten schon kurz dem entscheidenden militärischen Durchbruch? Auch am vierten Tag des Irak-Krieges war eine Antwort auf diese Frage nicht möglich. Beide Seiten setzten am Sonntag ihren Propagandafeldzug fort. So teilte das irakische Regime im Fernsehen mit, dass es die „Lage vollständig kontrolliere". Obendrein schickte Bagdad gar den irakischen Außenminister zu einem Treffen der Arabischen Liga nach Kairo. Auf der anderen Seite behauptete US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, dass die Führung in Bagdad zunehmend die Kontrolle über das Land verliere. Prompt konterte der irakische Informationsminister Mohammed Sajjid el Sahhaf. In Anlehnung an das Motto der alliierten Großoffensive („shock and awe“) sagte Sahhaf: Die Amerikaner seien es, die derzeit „Angst und Schrecken" erlebten.
Birgit Cerha[Beirut]