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Hitzige Debatte auf Parteitag: Die Junge Alternative wird Teil der AfD – und jetzt?
Es war nicht klar, wie sich die Debatte entwickeln würde. Nun steht fest: Die AfD-Parteiführung bindet ihre bisherige Jugendorganisation enger ein. Ein umstrittener Sieg für das Weidel-Lager.
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Schon um 13 Uhr ist am Sonntag klar: Das Weidel-Lager kann aufatmen, Jubel bei den Delegierten im sächsischen Riesa. Denn: Der AfD-Parteitag hat beschlossen, die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) in die Partei zu integrieren.
Zusammen mit mehreren JA-Landes- und Kreisvorständen hatte der Parteivorstand dafür geworben, die JA aufzulösen und eine eigene Jugendorganisation nach dem Vorbild anderer Parteien zu gründen.
Künftig sind damit alle Mitglieder der Jugendorganisation ab 16 Jahren auch Parteimitglieder. Umgekehrt sind alle Parteimitglieder unter 36 Jahren automatisch Mitglieder der Jugendorganisation. Heißt: Die AfD kann Mitglieder künftig sanktionieren, bis hin zum Ausschluss.
Organisation unter Beobachtung
Geändert wurde nach einer emotionalen Debatte lediglich, dass die Parteijugend ihren Namen noch selbst wählen darf. Vorgeschlagen hatte die Parteiführung „Patriotische Jugend“.
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Hintergrund: Die JA wird seit langem vom Verfassungsschutz beobachtet, gilt in allen ostdeutschen Bundesländern als gesichert rechtsextrem und wird in fünf weiteren als Verdachtsfall geführt. Als Verein hätte die JA damit vom Innenministerium verboten werden können, umgekehrt konnte die Partei bislang nicht mitentscheiden, wer in der Jugendorganisation Mitglied ist.

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Dennoch war der Punkt innerhalb der Partei extrem umstritten. Als Satzungsänderung musste er mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Ob die Parteiführung rund um Parteichefin Alice Weidel diese Mehrheit hatte, war bis zuletzt unsicher. Für den AfD-Bundesvorstand war der Antrag daher auch ein Prüfstein für die Mehrheitsverhältnisse in der Partei. Um die 70 Prozent seien daher schon ein Erfolg, sagte ein Vorstandsmitglied vor der Abstimmung gegenüber dem Tagesspiegel.
Am Sonntag geht es dann ganz schnell: Gegendemonstranten sind nicht mehr vor Ort. Der Parteitag wird pünktlich fortgesetzt. Nachdem die Delegierten am Tag zuvor bis in den Abend hinein über Änderungen am Wahlprogramm diskutiert hatten, ist ein Großteil dessen nun abgearbeitet.
Reaktivierung der Wehrpflicht im AfD-Programm
So wurde die explizite Forderung nach einem Austritt aus der EU gestrichen, die Reaktivierung der Wehrpflicht hingegen hat die Partei in ihr Programm aufgenommen, ebenso den umstrittenen Begriff „Remigration“, außerdem will sie Kopftücher in der Schule verbieten.
Am Abend war zudem der rechte Verleger Götz Kubitschek beim Parteitag zu Gast und traf sich mit Delegierten. Kubitscheks Antaios-Verlag wird als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.

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Übrig bleiben am Sonntagvormittag Debatten übers Kaiserreich, darüber, ob Schwangeren der Entwicklungsstand eines Fötus veranschaulicht werden solle, und über Familienpolitik. So sagt eine Delegierte: „Familie ist da, wo ein Mann und eine Frau gemeinsam Kinder bekommen.“ Ein anderer erklärt, das richte sich nicht gegen Kanzlerkandidatin Weidel, die bekannterweise in einer Familie mit einer Frau und zwei Kindern lebt.
Um 12.10 Uhr ist das Wahlprogramm schließlich mit allen 93 Änderungsanträgen offiziell beschlossen, die Delegierten jubeln und schwenken Deutschlandfähnchen.
Fünf Minuten später wird es ernst: Antrag BS-9 wird als wichtigster Punkt, der am Sonntag noch zu beraten ist, erheblich vorgezogen. Der amtierende JA-Vorsitzende Hannes Gnauck sowie sein Vorgänger im Amt, Dennis Hohloch, verteidigen das Vorhaben, argumentieren, dass man sowohl die Jugendorganisation als auch die Partei schützen müsse.
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Die anschließende, rund vierzig Minuten währende Debatte: hitzig und emotional. An den Saalmikrofonen bilden sich lange Schlangen. Man sei für die JA „durchs Feuer gegangen“, argumentiert ein Gegner des Antrags. „Jetzt packen wir die Tränendrüse mal wieder ein“, hält ein anderer dagegen.
Ein erstes Stimmungsbild bietet eine Abstimmung über die Vertagung des Themas. Unklar, ob zwei Drittel der Anwesenden ihre Stimmkarten heben. In jedem Fall sind die meisten gegen die Vertagung. Kurios: Die Gegner wollen noch mal elektronisch, mit Abstimmungsgeräten abstimmen – es kommt zu einer Abstimmung über eine geheime Abstimmung darüber, ob nun weiterdiskutiert wird. Fazit: Die Diskussion geht weiter.
Rund drei Dutzend Delegierte warten mittlerweile an den Saalmikros. Einer argumentiert mit Blick auf die Landesverbände: „Die Leute sind nicht aktiv, die JA funktioniert so nicht.“ Ein junger Mann mit scharf gezogenem Seitenscheitel stellt sich als stellvertretender Landesvorsitzender der JA in Thüringen vor – dem Landesverband Björn Höckes – und beklagt eine angebliche „Vernichtung der Jungen Alternative“. So werde alles zerstört, „was wir in vielen Jahren aufgebaut haben“. Ein anderer behauptet, der Antrag sei „völlig unausgereift“. Das Weidel-Lager hält dagegen.
Schließlich tritt Kay Gottschalk, Mitglied des Bundesvorstands, ans Mikro und beantragt, die Debatte zu beenden. Das Ergebnis fällt extrem knapp aus: 50,31 Prozent der Anwesenden stimmen für Gottschalks Antrag. Die Warteschlangen vor den Mikros zerstreuen sich. Der Versuch, die Diskussion wieder zu öffnen, misslingt. Ein Delegierter spielt auf das Höcke-Lager an und ruft ins Mikro: „Wir sind hier nicht in Thüringen, wir sind in Sachsen. Wahlen werden hier nicht wiederholt.“ Höcke selbst meldet sich nicht zu Wort.
Am Ende setzt sich der Vorstand auch in der Abstimmung durch: Knapp 72 Prozent der Delegierten stimmen für die Eingliederung der Jugendorganisation in die Partei.
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