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Für US-Präsident Donald Trump ist Leonard Leo ein wichtiger Berater.

© REUTERS

Begegnung mit Trump-Berater Leonard Leo: „Ich bin kein großer Fan der EU“

Die konservative Denkfabrik "The Federalist Society" gewinnt in den USA an Einfluss. Ihr Vizechef Leo hat eine spezielle Sicht auf die Welt. Eine Begegnung.

Von Anna Sauerbrey

Seit Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten ist, hat die Federalist Society, eine Vereinigung von Konservativen und Libertären, in Washington einigen Einfluss auf das Denken und Handeln amerikanischer Politik gewonnen. Ihr stellvertretender Vorsitzender, der Anwalt Leonard Leo, diskutierte kürzlich in Berlin mit der „Transatlantic Strategy Group“, einer neuen, von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ins Leben gerufenen Gruppe von Politikern, Journalisten, Beratern, Ministeriumsmitarbeitern und Unternehmensvertretern, die vierteljährlich mit US-Vertretern über die transatlantischen Beziehungen diskutiert.

Liste möglicher Verfassungsrichter für Donald Trump

Leonard Leo ist sicher auch in Washington nicht jedem ein Begriff - und doch hat der Jurist erheblichen Einfluss. Er berät den US-Präsidenten in Rechtsfragen – konkret suchte er Trumps Kandidaten für den Supreme Court aus. Auf der Liste stand auch Brett Kavanaugh, selbst Mitglied der Federalist Society, gegen den mehrere Frauen Missbrauchsvorwürfe erhoben, der aber dennoch bestätigt wurde. Über andere Rechtsfragen spreche er mit dem Präsidenten nicht, sagte Leo – und dennoch lohnt es sich, sich seine Auffassungen anzuhören, verdeutlichen sie doch die Rechtsphilosophie konservativer Kreise in den USA, die auch in der Außenpolitik von Donald Trump sichtbar wird.

Die Federalist Society will Gesellschaftspolitik über das Recht machen

Die Diskussion zwischen Leo und der DGAP-Strategy Group war vertraulich, am Rande des Gesprächs allerdings machte Leo seine Auffassung zu den transatlantischen Beziehungen und zur Außenpolitik auch öffentlich deutlich: „Was wir heute in den transatlantischen Beziehungen brauchen, ist eine Politik des Realismus“, sagte er. Dazu zähle, dass die Europäer anerkennen, wie stark die amerikanische Politik noch von der Religion bestimmt werde. Tatsächlich sind die amerikanischen Evangelikalen und Abtreibungsgegner in den USA eine wichtige Gruppe in der Koalition, die Trump an die Macht brachte. Leo, selbst Katholik, kam eine wichtige Scharnierfunktion zu: Seine Auswahl von Verfassungsrichtern diente dazu, diese Gruppe zu bestärken. Sie erhoffen sich durch die konservativen Richterbesetzungen des Verfassungsgerichts unter Donald Trump eine gesellschaftspolitische Wende – schließlich war es das US-Verfassungsgericht, dass seit den 70er Jahren das Recht von Frauen auf eine Abtreibung etabliert hat, ebenso wie erst 2015 die Ehe für Alle.

Die nationale Souveränität, so Leo, sei für die USA eine Identitätsfrage

Interessant ist mit Blick auf die amerikanische Außenpolitik aber auch Leos Vorstellung von staatlicher Souveränität. Wenn er über Souveränität spricht, zitiert er Alexis de Tocqueville, jenen französischen Diplomaten, der die USA Anfang des 19. Jahrhunderts bereiste und 1835 in „Democracy in America“ versuchte, die noch junge amerikanische Nation politisch und kulturell zu charakterisieren.

Tocqueville hat die Souveränität des Volkes zum zentralen Charakteristikum der USA erklärt. Für Leo ist die Souveränität nach innen und außen bis heute keine Machtfrage, sondern eine Frage der nationalen Identität. Souveränität sei „keine Frage des Machtgewinns, sondern etwas, das uns sagt, wer wir sind“, so Leo.

Man könnte das so lesen: Indem er sich auf ein Souveränitätsverständnis aus dem 19. Jahrhundert beruft (die Declaration of Independence von 1776 ist zu Tocquevilles Zeit noch relativ jung), rückt Leo Trumps Außenpolitik in die Nähe des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes von der Kolonialherrschaft und verankert sie tief in der amerikanischen Geschichte und im amerikanischen Selbstverständnis.

Leonard Leo, stellvetretender Vorsitzender der Federalist Society, einer Vereinigung von Konservativen und Libertären in den USA.
Leonard Leo, stellvetretender Vorsitzender der Federalist Society, einer Vereinigung von Konservativen und Libertären in den USA.

© Sait Serkan Gurbuz / picture alliance/AP Images

Für Trumps Außenpolitik ist das eine (nicht neue, aber wiederbelebbare) historische Grundierung der Skepsis gegenüber multilaterale Organisationen, auch gegenüber der EU. „Ich bin kein großer Fan der EU“, sagt auch Leo im Gespräch am Rande der DGAP-Diskussion. Dennoch hält er gemeinsame internationale Politik für möglich, nämlich dort, wo es übereinstimmende Interessen gebe – und die sieht er zwischen den USA und Europa durchaus.

Konkret nennt er als gemeinsame Interessen von Europäern und Amerikanern, der chinesischen Dominanz in Afrika entgegenzuwirken, Handelshindernisse abzubauen, ein offenes 5G-Netz zu errichten, die Absicherung der Energieversorgung und den Kampf für globale Menschenrechte und Religionsfreiheit.

Leo bringt Tipps für den Umgang mit Donald Trump mit

Leonard Leo nutzte die Gelegenheit auch, um für die Republikanische Partei als zuverlässiger Partner in den transatlantischen Beziehungen zu werben. Aus seiner Sicht setzen die Europäer zu einseitig auf die Demokraten – und glaubten zu Unrecht, die Konvergenz der Interessen zwischen Europäern und Demokraten sei größer als zwischen Europäern und Republikanern. Gerade in der Sicherheits- und Handelspolitik sei es umgekehrt, so Leo. „Die Demokraten sind traditionell eine sehe protektionistische Partei.“

Und schließlich hat er noch ein paar Hinweise für direkte Gespräche mit Donald Trump: „Das schlimmste, was Sie machen können, ist ihm Vorhaltungen zu machen. Fragen Sie ihn lieber etwas. Verwickeln Sie ihn in ein Gespräch. Fragen Sie ihn: Wie können wir zusammenarbeiten?“

Daniela Schwarzer, Direktorin der DGAP, sagte nach der Diskussion mit Leo: „Nicht allen im Raum hat bei der Auftaktveranstaltung alles gefallen. Aber das ist genau die Art von Diskussion, die wir führen müssen.“

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