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Politik: Im Balkan-Einsatz oftmals überlastet - Rund 150 Disziplinarverfahren gegen Bundeswehrsoldaten

Der Tatbestand klang zunächst alarmierend: Rund 150 Bundeswehrsoldaten sollen sich bei Einsätzen in den Krisengebieten Bosnien und Kosovo Verfehlungen zu Schulden kommen lassen haben, die ihren weiteren Verbleib bei der Truppe unmöglich machten. Doch der Verteidigungsausschuss sieht keinen Grund, einzugreifen.

Der Tatbestand klang zunächst alarmierend: Rund 150 Bundeswehrsoldaten sollen sich bei Einsätzen in den Krisengebieten Bosnien und Kosovo Verfehlungen zu Schulden kommen lassen haben, die ihren weiteren Verbleib bei der Truppe unmöglich machten. Doch der Verteidigungsausschuss sieht keinen Grund, einzugreifen. Die Verstöße, die den Soldaten vorgeworfenen werden, sind nach Recherchen bei Angehörigen des Verteidigungsausschusses, des Bundesverteidigungsministeriums und beim Büro der Wehrbeauftragten oftmals vielmehr auch auf psychische Überlastung zurückzuführen.

So muss ein Soldat das Einsatzgebiet verlassen, wenn er nach 24 Stunden nervlicher und körperlicher Anspannung als Wachsoldat seine Waffe versehentlich nur unzureichend der Sicherheitskontrolle unterzieht. Er wird damit zum Sicherheitsrisiko für seine Kameraden. Solche Vorfälle könnten sich wegen der von vier auf sechs Monate verlängerten Einsatzdauer auf dem Balkan zunehmend häufen.

Politiker des Verteidigungsausschusses mahnen zur Gelassenheit. In der Relation zur Gesamtstärke seien die Zahlen nicht dramatisch. Ein Sprecher des Bundeswehrverbandes machte deutlich, dass jeder Disziplinarfall untersucht werden müsse - und zwar in Deutschland. Gilt es doch auch, die Truppe im Einsatz von überforderten Kollegen zu entlasten. Für den Verband stellt sich aber auch die Frage, wie die Ausbildung und die Qualität des eingesetzten Personals weiter verbessert werden können.

Insgesamt 145 Bundeswehrsoldaten sind wegen schwebender Disziplinarverfahren seit dem Beginn des Einsatzes im ehemaligen Jugoslawien frühzeitig nach Deutschland zurückgeschickt worden. Unter den von der KFOR-Mission zurückgeschickten 90 Soldaten waren vier Offiziere, 28 Unteroffiziere und 58 Mannschaftsdienstgrade. Von den wegen Verstößen nach Hause geschickten 55 deutschen SFOR-Soldaten waren sechs Offiziere und 23 Unteroffiziere, 26 gehörten Mannschaftsdienstgraden an. Das Verteidigungsministerium bestätigte die vorzeitigen Ablösungen, hielt aber fest, dass seit 1994 über 64 000 Soldaten im Einsatz waren und es lediglich in den genannten Fällen zu einer vorzeitigen Ablösung gekommen ist, dies entspricht 0,2 Prozent.

Gerhard Ahlswede

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