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Demonstranten bei der "Black Lives Matter"-Demonstration in Berlin im Sommer 2020.

© REUTERS/Hannibal Hanschke

Kampf gegen Rassismus: Denn wir wissen, was wir tun

Ist der Vorwurf gerechtfertigt, antirassistisches Engagement sei ein Geschäftsmodell? Eine Gegenrede.

Vor ein paar Jahren war ich es wirklich leid, dass es ständig hieß, man müsse mit Leuten, die sich rassistisch, menschenverachtend oder sonstwie idiotisch äußern, reden. Man müsse „den Dialog suchen“, die „Sorgen und Nöte ernst nehmen“, ihnen „auf Augenhöhe begegnen“. Ich wurde (und werde) beschimpft wegen meines fremd klingenden Namens, weil ich braune Haut habe und als Muslim gelesen werde und weil ich es wage, Populisten und Extremisten in Deutschland zu kritisieren.

Ich war so genervt von diesem Bemühen um Austausch mit solchen Leuten, dass ich mir als Vorsatz für das Jahr 2016 vornahm, allen, wirklich allen Hatern zu antworten und den Dialog zu suchen.

Zwei Jahre lang hielt ich das durch, manchmal mit scharfen Worten und gesenktem Niveau, aber nicht „auf Augenhöhe“, denn so tief konnte ich gar nicht sinken wie jene, die mich „in den Gasofen“ wünschten oder mich mit einem „Strick ums Pressegenick an den nächsten Baum“ knüpfen wollten. Dann merkte ich, dass einen diese permanente Konfrontation fertig macht, dass man innerlich verbrennt.

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Allerdings hatte sie auch etwas Gutes: Hier und da baten mich manche um Entschuldigung und sahen ein, dass sie sich auf inakzeptable Weise geäußert hatten. Aus diesen Dialogen entstand ein Buch: „Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte“, in dem ich eine Auswahl von Dialogen mit Wutbürgern präsentiere. 

Einer der häufigsten Vorwürfe daraufhin lautete, ich würde jetzt auch noch Kapital schlagen aus dem Hass, der mir entgegenschlug. Die Briefe und E-Mails, die ich erhielt, seien ja gar nicht meine Worte, ich würde also mit der „geistigen Leistung“ anderer Menschen auch noch Geld verdienen.

Nun, dazu kann ich nur mit einigem Stolz sagen: Mir ist tatsächlich gelungen, woran die Menschheit bisher gescheitert ist – nämlich aus Scheiße Gold zu machen.

Ich glaube, sie meint mich damit

An diesen Vorwurf fühle ich mich erinnert, wenn ich den Kommentar „Wenn Weiß-Sein zum Makel gemacht wird“ von Fatina Keilani lese. Darin schreibt sie: „Aus der Mission ‚Rassismus bekämpfen‘ haben einige Debattenteilnehmer (…) inzwischen ein privates Geschäftsmodell gemacht“. Zu den so Kritisierten zählt sie unter anderem einen „Ex-Journalist und Buchautor“. Ich glaube, sie meint mich damit.

Und dann wirft sie mir und Menschen wie mir vor: „Denkt man sich das Thema Rassismus weg, etwa in der Annahme, dass diese Menschen hauptberuflich einem Tagesgeschäft nachgehen, dann bleibt nichts übrig. Es ist ihr Tagesgeschäft – das Anprangern ihrer Benachteiligung, das gezielte Suchen nach Belegen für allgegenwärtigen Rassismus, und wenn es nur so ist, dass jemand etwas zu ihren Haaren gesagt hat.“

Der Vorwurf kam bisher nur aus der rechten Ecke

Bisher kannte ich den Vorwurf, mein ganzes berufliches Treiben sei nichts als ein Jammern über einen erfundenen, eingebildeten Rassismus, nur aus der rechten Ecke. Diese infamen Vorwürfe verkennen, dass wir – ich und alle anderen Betroffenen – nicht aus Spaß und schon gar nicht aus Geschäftemacherei gegen Rassismus kämpfen.

Sondern wir versuchen, einen Weg des Umgangs mit all diesem Hass zu finden und andere zu motivieren, ebenfalls die Stimme zu erheben gegen Rassismus. Wir tun es, weil wir es für wichtig erachten. Weil wir glauben, auf diese Weise einen Beitrag dazu leisten zu können, diese unsere Gesellschaft ein Stück weit zum Besseren zu verändern. Das ist es, was mich und, soweit ich das überblicken kann, die meisten von uns motiviert.

Klar treibt der Kampf gegen Rassismus bisweilen auch seltsame Blüten. Es ist mir zum Beispiel ein Rätsel, wie jemand in der Frage, ob ein Mensch mit dunklerer Hautfarbe eigentlich einen Sonnenbrand bekommen könne, einen empörungswürdigen Rassismus sieht.

Bekloppte gibt es auch unter Anti-Rassisten

Als ich einmal einen Text zitierte, in dem das N-Wort für Schwarze vorkam, und eben dieses Wort wie im Originaltext ausschrieb, wurde ich nicht mit Argumenten konfrontiert, warum selbst das Zitieren vielleicht nicht gut sei, sondern niedergebrüllt, beschimpft und anschließend auf allen Kanälen geblockt.

Und es gibt Anti-Rassisten, die mir vorhalten, ich als ehemaliger Bundeswehroffizier, früheres FDP-Mitglied und mit einer Weißen Verheirateter könne gar nicht wirklich mitreden, ich wäre nämlich „nur äußerlich braun, aber innerlich weiß“ – Bekloppte gibt es überall, auch unter Anti-Rassisten.

Der deutsche Autor und Journalist Hasnain Kazim im Jahr 2016.
Der deutsche Autor und Journalist Hasnain Kazim im Jahr 2016.

© Privat

Das kann und soll man gerne kritisieren. Wer aber unser Bemühen allgemein als „Mission“ verhöhnt und behauptet, unser Kampf gegen Rassismus sei zu einem „privaten Geschäftsmodell“ geworden, will sagen: Nun seid doch endlich mal still, hört auf, ständig Rassismus anzuprangern, übertreibt's doch nicht! Tja, wir sind halt endlich lauter und hörbarer geworden. Das gefällt nicht allen. Aber leiser werden wir gewiss nicht.

Weiße sollten ihre Privilegien anerkennen

Und wer dann auch noch behauptet, wir würden Weißen abverlangen, ihre Privilegiertheit als Makel anzuerkennen, hat das Problem und sein Ausmaß wahrlich nicht verstanden. Es geht darum, dass Weiße erst einmal überhaupt die Privilegien anerkennen, die man in einem Land wie Deutschland als Person of Color nicht hat.

Es ist nämlich durchaus ein Privileg, nicht gleich von oben herab und unfreundlich behandelt oder gleich ignoriert zu werden, nicht ständig unter Generalverdacht wegen diesem und jenem gestellt zu werden, nur weil man nicht weiß ist. Und nicht befürchten zu müssen, eine Wohnung oder einen Job nicht zu bekommen, nur weil man Mohammed oder Fatima und nicht Maximilian oder Julia heißt.

Umso verwunderlicher, dass jemand, die Fatina Keilani heißt, solch einen Text schreibt. Ohne sie zu kennen, vermute ich, dass ihr selbst solche Erfahrungen nicht fremd sein dürften.

Nicht festgenommen zu werden, wenn man als „Demonstrant“ in den Reichstag gestürmt ist und Regierungspolitiker beschimpft hat, ist nur ein sichtbar gewordenes Symptom dieser Misere. Weniger sichtbar ist, ständig fälschlicherweise vom Kaufhausdetektiv verdächtigt zu werden, etwas gestohlen zu haben. Oder behandelt zu werden, als wäre man nicht zurechnungsfähig, nur weil man mal einen Artikel in der deutschen Sprache durcheinander bekommt.

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Sehr viele Menschen in Deutschland wissen immer noch nicht – oder wollen nicht wahrhaben –, dass die Abneigung gegen alles Fremde und als fremd Wahrgenommene auf erschütternde Weise präsent ist. Und dass sie oft selbst dazu beitragen, dass es so ist.

Keine Geschäftemacherei, sondern Anstand

Derzeit sind zwei in Rechtsextremistenkreisen programmierte Shooterspiele im Umlauf, in denen unter anderem eine Figur abgeknallt werden soll, die mir frappierend ähnlich sieht. Ich stehe auf mehreren „Feindeslisten“, und ein von Rechtsextremisten genutztes Personenlexikon führt mich als „indisch-pakistanischen Journalisten“, nennt mich „ein Invasorenkind“ und schreibt über mich: „Er behauptet, kein Muslim zu sein.“ (Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich schiitische Wurzeln habe, evangelisch-lutherisch aufgewachsen und sozialisiert bin und tatsächlich konfessionslos bin.)

Gegen solch einen Rassismus kann man nicht nur, sondern muss man professionell vorgehen. Solange es professionelle Rassisten gibt – einige davon sitzen im Deutschen Bundestag –, braucht es unbedingt professionelle Anti-Rassisten. Man nennt das nicht „Geschäftemacherei“. Sondern Anstand.
Hasnain Kazim ist Journalist und Autor. Zuvor war er jahrelang Auslandskorrespondent des „Spiegel“.

Hasnain Kazim

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