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Kosovoaren auf der Flucht. Manche zieht es auch zum Islamischen Staat in den Nahen Osten.

© dpa

Islamischer Staat wirbt Rekruten in Europa: Kämpfer-Nachschub vom Balkan

Die hoffnungslose Lage vor allem im Kosovo treibt den Islamisten neue Kämpfer zu. Die Sicherheitsbehörden dort fürchten ebenso wie Deutschland die Rückkehr gewaltbereiter Aussteiger.

Es gibt viele Gründe für junge Kosovaren, ihr Land zu verlassen. Tausende sind in den vergangenen Monaten nach Westeuropa gezogen, weil sie sich dort bessere Lebensbedingungen erhoffen. Immer mehr schließen sich aber auch dem selbst ernannten „Islamischen Staat“ (IS) an, um für ein Kalifat in Syrien und im Irak zu kämpfen. Noch sind das zwar nur schätzungsweise 230, gemessen an der Gesamtbevölkerung von 1,8 Millionen stellt das Land damit aber schon jetzt den höchsten Prozentsatz ausländischer IS-Kämpfer.

Videopropaganda für die Heimat

Anführer der IS-Kämpfer mit kosovo-albanischem Hintergrund ist Lavdrim Muhaxheri. Er gilt als extrem gewaltbereit und prahlt mit seinen Gräueltaten im Internet. Ein Video zum Beispiel zeigt, wie er einen Gefangenen im Irak enthauptet. Er soll außerdem davon träumen, im Kosovo ein Kalifat nach IS-Vorbild zu errichten.

Ebenso wie die deutschen Sicherheitsbehörden fürchten auch die entsprechenden Stellen im Kosovo die Rückkehr solcher Extremisten. Für den jungen Staat mit seiner mehrheitlich muslimischen Bevölkerung könnte ein wachsender Einfluss radikalislamischer Gruppen sogar „eine Bedrohung für die staatlichen Institutionen darstellen“, wie das „Kosovar Center for Security Studies“ (KCSS), ein Thinktank mit Sitz in Pristina, in einem Bericht schreibt.

Krieg als Ersatz für mangelnde Perspektiven

Vor allem junge Kosovaren sind demnach anfällig für extremistisches Gedankengut, denn sie sehen für sich kaum eine Zukunft. Seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien 2008 hat das Land wirtschaftlich kaum Fortschritte gemacht. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung lebt in Armut, zwei Drittel der unter 25-Jährigen sind ohne Job. Legale Auswanderungsmöglichkeiten haben nur gut ausgebildete Fachkräfte. Die meisten der rund 25 000 Kosovaren, die in den vergangenen Monaten nach Deutschland kamen, werden hingegen wieder abgeschoben. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlingen (BAMF) liegt die Ablehnungsquote von Asylbewerbern aus dem Kosovo bei 99,9 Prozent. Hunderte Kosovo-Albaner kehren daher jeden Monat in ihre Heimat zurück.

Vernachlässigtes Bildungssystem

Die Lage dort dürfte sich allerdings auch langfristig kaum bessern, denn das Bildungssystem des Kosovo „wird den Bedürfnissen von Schülern und Studenten auf keiner Ebene gerecht“, wie es in dem von dem kosovarischen Analysten Shpend Kursani verfassten Bericht heißt. „Die mangelnde Aufmerksamkeit der Behörden hat offensichtlich dazu geführt, dass sich Jugendliche stärker der Religion zuwenden.“ Das allein wäre noch kein Alarmsignal. Doch die Recherchen der Sicherheitsexperten zeigen, dass extremistische Gruppen die Situation für sich ausnutzen.

Islamisten füllen staatliche Lücken

Ähnlich wie in Ländern des Nahen Ostens springen sie demnach mit karitativen Hilfen ein, wo der Staat versagt, und schaffen es, sich ein Image als saubere Gegeninstitutionen zu einem korrupten Staatsapparat aufzubauen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei salafistische Gruppen, die gleichzeitig Kämpfer für den IS rekrutieren. Großen Einfluss im Kosovo habe außerdem Saudi-Arabien, das in der bisher eher säkular orientierten Gesellschaft offensiv konservative religiöse Werte verbreite, schreibt Kursani.

Razzien und Gesetze

Die Regierung des Kosovo scheint dem hilflos gegenüberzustehen. Immer mal wieder werden Razzien gegen extremistische Gruppen angesetzt und mutmaßliche Islamisten festgenommen. Meist müssen sie allerdings wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Im April erließ das Land ein Gesetz, dass die Teilnahme an bewaffneten Konflikten wie in Syrien oder dem Irak unter Straße stellt. Noch ist die Wirkung nicht abzusehen.

Transit für europäische IS-Kämpfer

Das Kosovo und andere muslimische Balkanstaaten scheinen sich aber auch als Transitländer für europäische IS-Kämpfer etabliert zu haben. Sicherheitsexperten vermuten sogar, dass IS-Rekruten dort eine Art Vorausbildung für den Krieg im Nahen Osten erhalten. Sie beobachten das mit großer Sorge.

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