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Kaserne Coesfeld: Mammutprozess gegen Bundeswehr-Ausbilder

Ab kommender Woche beginnt in Münster eines der größten Strafverfahren in der Geschichte der Bundeswehr: Ausbildern der Kaserne Coesfeld wird vorgeworfen, mehr als 80 Rekruten misshandelt zu haben.

Münster - Im Landgericht Münster wird zurzeit fast genauso viel gebaut wie verurteilt. Neue Zwischenwände, eine größere Anklagebank, mehr Platz für Zuschauer: "Wir haben schon mehrere Stellproben gemacht", sagt Gerichtssprecherin Christina Jansen. All diese Mühe macht sich die Justiz für die Bundeswehr. 18 Ausbilder sitzen vom 19. März an auf der räumlich erweiterten Anklagebank. Platz benötigen auch ihre 36 Anwälte. Die Staatsanwaltschaft wirft den Soldaten vor, in der Freiherr-vom-Stein Kaserne in Coesfeld insgesamt mehr als 80 Rekruten bei Übungen misshandelt zu haben.

Der auf 45 Verhandlungstage angesetzte Prozess ist eines der größten Strafverfahren in der Geschichte der Bundeswehr. Vor mehr als zwei Jahren sollen der heute 34 Jahre alte ehemalige Kompaniechef im Rang eines Hauptmanns und weitere 17 ehemalige Unteroffiziere ihre Rekruten geradezu malträtiert haben. Von Stromstößen aus einem Feldfernsprecher ist die Rede und von Wasser, das ihnen in die Hosen geschüttet wurde. Rekruten mussten Geiseln spielen, die lange Zeit mit verbundenen Augen auf dem Boden knien mussten. Andere mussten schwere Baumstämme schleppen. "Misshandlung Untergebener" lautet der Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft.

Erhebliche Auflagen für Medien

Die zuständige Strafkammer verbot für den Prozess schon vorab Fernsehaufnahmen vom Einzug des Gerichts in den Saal - und handelte sich prompt eine Verfassungsbeschwerde des ZDF ein. Das Gericht begründete seine Kamerascheu mit einer möglichen Beeinflussung von Schöffen durch die Öffentlichkeit. Die Zustände bei der Bundeswehr in Coesfeld hatten nach ihrem Bekanntwerden im Herbst 2004 einen Aufschrei der Empörung in der Bevölkerung ausgelöst.

Ein Rekrut hatte die Vorfälle damals eher beiläufig erwähnt. Es folgte eine teils erbittert geführte Diskussion über den Zustand der Streitkräfte. Die Verantwortlichen wurden allesamt suspendiert, die Armee leitete eine umfassende Überprüfung ihrer Strukturen ein. Die juristische Bewertung ist jedoch weit weniger eindeutig - zumal ein Teil der betroffenen Rekruten die Übungen nicht etwa als Misshandlung, sondern als "Höhepunkt der Ausbildung" wertete.

Juristisches Hin und Her vor der Anklage

Im Sommer vergangenen Jahres erhob die Staatsanwaltschaft Münster Anklage. Das Landgericht ließ einen großen Teil davon jedoch gar nicht zu. Es habe sich um eine Übung gehandelt, aus der die Rekruten auch hätten ausscheiden können. Sie hätten nur das Codewort "Tiffy" sagen müssen - unter den Soldaten ein Synonym für Weichei. Die Staatsanwaltschaft beschwerte sich gegen die Nichtzulassung beim Oberlandesgericht Hamm und bekam Recht. So wanderte das Verfahren wieder zum Landgericht in Münster, wo es nun verhandelt wird. Richter, Staatsanwälte und Verteidiger müssen jetzt mit dem juristischen Florett fechten. An Stammtischen werden gleichzeitig "Kreuzigt sie!"-Rufe laut.

Auch auf dem zivil- und dienstrechtlichen Wege gehen die Auseinandersetzungen weiter. Ein Stabsunteroffizier hat sich gegen die Entlassung aus der Bundeswehr zur Wehr gesetzt. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen setzte seine Entlassung zunächst aus, das Oberverwaltungsgericht in Münster kassierte diese Entscheidung wieder. Er habe "den Rahmen der vorgegebenen Ausbildungselemente durch Schlagen, Treten und Ohrfeigen von Untergebenen exzesshaft überschritten", befanden die Verwaltungsrichter. Die Ausbilder hätten den Ausbildungspunkt "Geiselnahmen/Geiselhaft" nicht aus dienstlichen Gründen ins Programm genommen. Es sei für sie eine "willkommene Abwechslung" gewesen. (Von Michael Donhauser, dpa)

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