Nichtraucherschutz: Kein blauer Dunst unterm Sternenbanner
Die USA machen vor, was in Deutschland schwer fällt: Selbst Gemeinden entwerfen eigene Regeln zum Nichtraucherschutz, die Zahl der Nikotinsüchtigen ist stark gesunken, die Debatte so gut wie beendet. Rauchen ist inzwischen gar zum Karriererisiko geworden.
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Washington - Sollten die Ministerpräsidenten am Donnerstag bei ihren Beratungen über ein Rauchverbot in Gaststätten weitere Anregungen benötigen, dürfte ihnen ein Blick auf die USA weiter helfen. Mit einer Vielzahl von Einschränkungen wurde das Heimatland des Marlboro-Cowboys zum Paradies für Nichtraucher. In Gaststätten und Büros ist Rauchen inzwischen weitgehend tabu. Und nicht nur dort: Selbst unter freiem Himmel können sich Raucher nicht mehr nach Belieben eine Zigarette anstecken. In Sachen Nikotin kennt das Land, das sich selbst als Hort der individuellen Freiheiten betrachtet, keine Nachsicht mehr. Die Bestimmungen reichen bis ins Privatleben hinein.
Die Verbote sind vielfältig und einfallsreich. Nachdem zum Jahreswechsel in der Hauptstadt Washington ein weitreichendes Rauchverbot in Kraft trat, drohte eine Immobiliengesellschaft mehreren hundert Mietern mit der Nicht-Verlängerung des Mietvertrags, wenn sie weiter in ihren Wohnungen rauchen. Als erste Kommune in den USA verbot die Stadt Bangor in Maine vor kurzem das Rauchen in Privatautos, wenn Mitfahrer unter 18 Jahren an Bord sind. In Ohio müssen Raucher mindestens sechs Meter Abstand zum Eingang von Gebäuden halten. In New York darf nicht einmal mehr in Parks geraucht werden, auch an den Traumstränden in Kalifornien sind Zigaretten verboten. Große Hotelketten wie Marriott erließen im vergangenen Jahr Rauchverbote für ihre Häuser.
Die Stärke ist die Vielfalt
Anders als in Deutschland waren in den USA landesweit einheitliche Regelungen nie das Ziel. Die Stärke liegt in der Vielfalt: Knapp die Hälfte der 50 Bundesstaaten hat inzwischen weitgehende Einschränkungen erlassen, während mehr als 2300 Städte und Gemeinden zusätzlich eigene Bestimmungen haben, die über die Landesregelungen oft weit hinausgehen. Die Verschärfung der Verbote geschieht weitgehend geräuschlos. "Die Debatte über das Thema ist so gut wie beendet", sagt Colleen Wilber von der Amerikanischen Krebsgesellschaft. "Die Unterstützung für die Verbote ist überwältigend groß." Nur noch jeder fünfte US-Bürger raucht. Vor 40 Jahren war der Anteil noch doppelt so hoch.
Erst in dieser Woche veröffentlichte die Stadtverwaltung von New York eine Untersuchung, wonach seit Inkrafttreten des strikten Rauchverbots vor fünf Jahren allein die Zahl rauchender Frauen in der Stadt um mehr als 120.000 gesunken ist - das entspricht immerhin einem Rückgang um ein Fünftel. Die Zahl der Menschen, die an den Folgen des Rauchens starben, sank um ein Zehntel auf 8100. Da sich die Schäden durch das Rauchen erst langfristig zeigen, dürfte sich dieser Trend noch verstärken.
Kritiker befürchten "therapeutischen Staat"
Eine starke öffentliche Lobby haben Raucher nicht mehr. Kritik an den Einschränkungen wird allenfalls theoretisch begründet. So bemängelt der Juraprofessor Jeffrey Schaler von der American University in Washington, dass sich die USA langsam von einem Land, in dem Freiheitsrechte große Bedeutung haben, zu einem "therapeutischen Staat" entwickelten. Raucher sollten das Recht zum Rauchen haben, wenn sie dies wollen. "Die Regierung sollte mich nicht vor mir selbst beschützen", urteilt Schaler.
Dermaßen ausgeprägt ist die öffentlichen Ächtung für Raucher inzwischen, dass der Glimmstängel offenbar über politische Karrieren entscheidet. So hat der Nachwuchsstar der Demokratischen Partei, Senator Barack Obama, in den vergangenen Wochen zwei schwere Entscheidungen getroffen. Zum einen bewirbt er sich um die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei, zum anderen hat er das Rauchen aufgegeben. Dabei greift er zu kleinen Hilfsmitteln: "Ich kaue eifrig Nikotin-Kaugummis", gestand er kürzlich in einem Interview. Seit Franklin D. Roosevelt vor mehr als 70 Jahren ist in den USA kein bekennender Raucher mehr ins Präsidentenamt gewählt worden. (Von Peter Wütherich, dpa)
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