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Politik: Kein Mitleid mit Europa

Von Ursula Weidenfeld

Brutal“ sei die Wechselkursentwicklung von Euro und Dollar, sagt der europäische Notenbankchef JeanClaude Trichet. „Reden müsse man“ mit den Amerikanern über Wechselkurse, findet der deutsche Finanzminister Hans Eichel. Und der Chef des Internationalen Währungsfonds, Rodrigo Rato, warnt davor, den Dollarkurs in den „freien Fall“ rutschen zu lassen. So etwas nennt man unter Geldpolitikern Verbalintervention. Das soll heißen, dass sich alle schwere Sorgen machen, und dass bald gehandelt werden muss. Zum Beispiel, indem die Notenbanken anfangen, Dollars zu kaufen – um den Kurs nach oben zu hieven.

Der Dollar hat gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn fast zwanzig Prozent an Wert verloren. Das ist viel. Noch mehr würde die Weltwirtschaft vermutlich irgendwann in ernste Turbulenzen stürzen. Um den Dollar aber nachhaltig zu bremsen, bräuchte man die Unterstützung der Amerikaner. Die hören sich die Verbalinterventionen in aller Ruhe an. Dann sagte der amerikanische Finanzminister in dieser Woche, dass er keinen Grund sieht, sich Sorgen zu machen. Und der amerikanische Notenbankchef Alan Greenspan begnügt sich mit schwurbeligen Sätzen. Das sind auch Verbalinterventionen – in die andere Richtung. Denn Amerika hat kein Interesse an einem stärkeren Dollar. Noch nicht.

Gerecht ist es nicht. Gerade beginnt Europa, die Früchte des Aufschwungs zu genießen, da soll es schon wieder vorbei sein: Der schwache Dollar macht der Exportwirtschaft Sorgen – und die hat zuletzt die Konjunktur im Euroland angetrieben. Im kommenden Jahr wird die Dynamik des Aufschwungs nachlassen.

Nicht einmal das unsolideste Finanzgebaren, nicht die tiefste Wachstumsschwäche, nicht die übelsten Statistiktricksereien in Europa haben ausgereicht, um das Vertrauen der Märkte in den Euro zu zerstören. Schön eigentlich, oder? Nur, dass sich daran eben auch zeigt, dass es die Eurozone bislang nicht geschafft hat, sich von der Wirtschaftsentwicklung der USA abzukoppeln. In den vergangenen Jahren hat sie vom Konsumhunger der Amerikaner profitiert. Jetzt leidet sie unter den Folgen dieses Verhaltens.

Es ist zu einfach zu denken, dass Europa gefälligst selbst dafür sorgen muss, dass es eigene Wachstumskräfte freisetzt, um sich aus der Abhängigkeit von den USA zu lösen. Das stimmt zwar. Es ist aber nicht einmal die halbe Wahrheit. Denn tatsächlich ist es so, dass Euroland unverdient die Hauptlast der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzpolitik tragen muss: Weil Amerika mehr Geld verbraucht, als es verdient, verschuldet es sich seit Jahren im Ausland. Vor allem asiatische Staaten leihen den Amerikanern Geld, aus vielerlei Gründen (die auf der Seite 6 dieser Zeitung ausführlich dargestellt werden). Eigentlich müsste der Dollar vor allem gegenüber asiatischen Währungen fallen. Das tut er aber nicht, weil beispielsweise China es seiner Währung nicht erlaubt, gegenüber den großen Währungen frei zu schwanken. Deshalb suchen die Finanzmärkte ein anderes Ventil, zum Beispiel den Euro.

Niemand sollte sich Illusionen machen. Solange die USA kein Interesse daran haben, den Dollar zu stabilisieren – und das haben sie nicht, solange die Dollarabwertung ihre Probleme und den Reformdruck verringert und die Aktienmärkte weiter laufen – wird Europa die Lasten tragen müssen.

Das heißt: Der Reformdruck hier steigt wieder. Das ist bitter. Und ungerecht. Aber kaum zu ändern.

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