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Politik: Keskin zweifelt weiter am Völkermord

Berlin - Hakki Keskin, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, bleibt im Streit über seine Haltung zum Völkermord 1915/16 an den Armeniern stur. In einem Brief an den Tagesspiegel bestreitet der frühere Bundeschef der Türkischen Gemeinde in Deutschland zwar nicht, dass es 1915/16 im Osmanischen Reich eine Vertreibung von Armeniern mit zahlreichen Opfern gegeben hat.

Von Matthias Meisner

Berlin - Hakki Keskin, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, bleibt im Streit über seine Haltung zum Völkermord 1915/16 an den Armeniern stur. In einem Brief an den Tagesspiegel bestreitet der frühere Bundeschef der Türkischen Gemeinde in Deutschland zwar nicht, dass es 1915/16 im Osmanischen Reich eine Vertreibung von Armeniern mit zahlreichen Opfern gegeben hat. Dass es sich dabei um einen Genozid gehandelt hat, will er nicht anerkennen. Keskin reagierte auf einen Tagesspiegel-Bericht, wonach die Fraktionsführung ihn trotz seiner Haltung gewähren lässt.

„Wogegen ich mich ausspreche, ist ein unterstellter, gezielter Vernichtungswille des osmanischen Staates sowie die Singularisierung der Opfer- und Täterperspektive, wonach ausschließlich Armenier umgekommen und ausschließlich Türken die Täter gewesen sein sollen“, heißt es in Keskins Brief. „Angesichts der damaligen, bürgerkriegsähnlichen Situation sind auch mehrere hunderttausende Türken umgekommen, die Zahlen umgekommener Armenier dürften deutlich darüber liegen.“ Ähnlich wie die türkische Regierung plädiert Keskin für die Untersuchung der Geschehnisse durch eine paritätisch zusammengesetzte Historikerkommission – Armenien hatte das mehrfach als nur taktischen Schritt zurückgewiesen.

Der Zentralrat der Armenier erneuerte derweil seine Kritik an Keskin und der Linkspartei/PDS. Partei- und Fraktionsführung spielten eine ähnlich „unrühmliche Rolle“ wie einst das Deutsche Reich als Bündnisgenosse des verbrecherischen türkischen Regimes: „Um die Stimmen des türkisch-nationalistischen Spektrums zu gewinnen, werfen die Führer der heutigen deutschen Sozialisten in Nibelungentreue mit dem Genossen Keskin jeglichen moralischen und politischen Anstand über Bord.“ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim-Karl Fromme empfahl der Linksfraktion, „ihr Mitglied zur Ordnung zu rufen und ihn aufzufordern, die historischen Tatsachen vorbehaltlos anzuerkennen“. Wer den Genozid anzweifle oder gar leugne, beraube die mehr als zwei Millionen Todesopfer „noch im Nachhinein ihrer Würde“.

Offenkundig aber wollen Partei- und Fraktionsführung der Linken nicht einschreiten. PDS-Chef Lothar Bisky hatte 2005 Keskins Kandidatur eingefädelt und damals Kritik daran zurückgewiesen. Über eine Sprecherin ließ Bisky mitteilen, er habe Keskin nicht wegen dessen Haltung zum Völkermord an den Armeniern verteidigt. Weiter unternommen hat der Parteichef nichts: Inzwischen befindet er sich auf einer Reise in Vietnam und ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auch der Vizechef der Linksfraktion, Bodo Ramelow, sagte, er sehe in der Angelegenheit keinen Handlungsbedarf. Es sei für ihn „keine Frage“, dass es sich 1915/16 um einen Genozid gehandelt habe. Der Standpunkt von Keskin in seiner Rolle als Vertreter der Türken in Deutschland leuchte ihm aber ein, so Ramelow: „Er bleibt sich treu.“

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