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Fitness-Tracker können die Gesundheit fördern - doch was passiert mit ihren Daten.

© dpa-tmn

Digitalisierte Welt: Kilometerweise Rabatt

Fitness-Tracker fördern die Gesundheit, doch sie bergen auch eine Gefahr: Bei vielen Geräten ist nicht klar, was schließlich aus den Daten wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Daten sammeln, Daten auswerten, Daten interpretieren, Daten zu Geld machen: So funktioniert die digitale Wirtschaft – auch über den am Dienstag begangenen „Safer Internet Day“ hinaus, an dem Verbraucherschutzminister Heiko Maas auf die Gefahren sogenannter Fitness-Tracker hingewiesen hat. Die beliebten digitalen Datensammler sagen den Leuten, ob sie sich genug bewegt, vernünftig ernährt und gut geschlafen haben. Ein Drittel der Deutschen setzt auf die sensiblen Armbänder oder vergleichbare Apps für das Smartphone, um die Gesundheit zu verbessern. Längst haben Versicherer wie Generali in den Nutzern der Fitness-Tracker ein zeitgemäßes Kundenpotenzial gefunden: Wer trackt und mit seinen Datensätzen beweist, wie gesundheitsbewusst er lebt, kann mit Rabatten rechnen.

Maas hingegen weist darauf hin, dass bei vielen dieser angeblich gesundheitsfördernden Geräten nicht klar ist, was schließlich aus den Daten wird. Damit spricht er laut einer Studie seines Ministeriums 49 Prozent der Befragten aus der Seele. Die wollen nämlich selbst darüber bestimmen, was oder wer ihre Gesundheitsdaten zur Kenntnis bekommt. Genau das ist bei den digitalen Gesundheitsverbesserern unklar: Vor ein paar Tagen hat die dem Datenschutz zugeneigte Vereinigung netzpolitik.org berichtet, dass sieben von acht getesteten Fitness-Trackern Mängel bei der Datensicherheit hätten. Sprich: Daten werden an Dritte weitergegeben, womöglich an Datenhändler oder staatliche Institutionen.

Das Grundgesetz des digitalen Zeitalters lautet: Optimieren ist alles

Tracken, transparent sein und etwas dafür bekommen? Oder zehn Kilometer smartphonefrei laufen, den Puls mit der Uhr nehmen und die Daten für sich behalten? Es ist der Grundwiderspruch des Lebens in der digitalen Revolution, der (auch) an diesem Internetsicherheits-Verbesserungstag schön deutlich erkennbar geworden ist. Was soll schon schlimm sein an gesundheitsfördernden Erkenntnissen – erst recht, wenn die Krankenkasse brav trainierende Self-Tracker auch noch belohnt? Was schadet denn die Weitergabe von Herzfrequenz- oder Kalorienverbrauchsdaten an irgendwelche Dritte, wenn die aus den Datenmassen neue Hinweise zum gesundheitsfördernden Sport algorithmisieren? Warum sein Sportlerherz nicht transparent zu machen – umso besser, wenn die Dicken, die „Couchpotatoes“, die Zuschauersportler von der Krankenkasse per Tarif dazu gebracht werden, mehr für sich zu tun?

Wer so denkt, hat das Grundgesetz des digitalen Zeitalters verstanden und verinnerlicht: Optimieren ist alles. Dazu dient die Sammlung großer Datenmengen – zum Optimieren der Gesundheitsvorsorge und zum Optimieren der richtigen Krebstherapie, zum Optimieren vernünftigen, auch berechenbaren Verhaltens und zum Optimieren großer sozialer Infrastrukturen. So jedenfalls sehen es die Gurus des Netzzeitalters.

Die Leute hingegen, die gern selbst darüber entscheiden möchten, wer ihre Fitnessdaten zu sehen bekommt, haben immerhin noch ein Gefühl für das, was Daten eben auch sind: privat. Auf eine abstrakte Weise zur eigenen Person gehörig. Schützenswert, auch wenn der eigene persönliche Datensatz in der Auswertung mit Millionen anderen Datensätzen neue Erkenntnisse hervorbringen kann.

Der Gegensatz zwischen den Optimierern und den Datenschützern zieht sich durch die digitale Revolution. Es ist (auch) ein Gegensatz zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Recht. Es gäbe diesen Gegensatz in seiner Schärfe nicht, hätte die Europäische Union ihre Datenschutzgrundverordnung ähnlich schnell entwickelt wie den „Safer Internet Day“ mit seinen Kommentaren von Heiko Maas und anderen. Den Verbrauchern bleibt die Erkenntnis, dass sie sich an jedem Tag der digitalen Revolution neu entscheiden müssen: für Google oder dagegen, für Amazon oder dagegen, für die Selbstoptimierung digitaler Hilfe oder für einen Zehnkilometerlauf als Privatangelegenheit.

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